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Meilenstein 8. Grad

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Er war ein vagabundierender Außenseiter, ein schweigsamer Einzelgänger, dem man die ärmlichen Verhältnisse ansah, aus denen er kam. Von Beruf war er Schneider. Aber als solcher gearbeitet hat er wohl nicht sehr viel. Ab 1912 wohnte er bei seiner Halbschwester in Dresden. In den folgenden zehn Jahren, mehr blieben ihm nicht, wurde er zum besten Kletterer der Welt! Die Rede ist von Emanuel Strubich.

Strubich wurde 1887 im heutigen Decin geboren. Über seine Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Gesichert ist, dass er seiner Halbschwester nach Dresden folgte, die dorthin geheiratet hatte. Und das er vermutlich um 1912 mit dem Klettern im Elbsandstein begann, denn sein erster Gipfelbucheintrag stammt aus jenem Jahr. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass er mitten im ersten Weltkrieg, als Millionen in den Schützengräben umkamen, seelenruhig klettern gehen konnte. Die Vermutung liegt nahe, dass er der Einberufung entging, weil er sich nicht in Dresden gemeldet hatte.

Emanuel Strubich, Quelle: Sammlung Joachim Schindler

Schon 1915 kletterte er den Strubichweg am Falkenstein, ein Jahr später den Alten Weg an der Raaber Säule, die Südwand am Kanzelturm im Bielatal und die Nordwand am Kreuzturm. Alles Wege im 7 Grad der Sächsischen Schwierigkeitsskala, die erste und damals noch einzige Skala für die Einstufung von Kletterschwierigkeiten der Welt. Spätestens nach diesen Heldentaten war Strubich in der damaligen Szene eine Größe! 

Doch verewigt in den Analen des Alpinismus hat er sich an einem Gipfel namens “Wilder Kopf” in den Affensteinen der Sächsischen Schweiz. Wer heute unter diesem Gipfel steht, sich seine Westkante anschaut und womöglich doch einige Erfahrung im Vorstieg im Elbsandstein besitzt, der fragt sich, was sich Strubich damals im Mai 1918 bloß gedacht hat? Man schaut auf eine dunkle, ausgesetzte, haltlose Wand, die von weitem ganz und gar unkletterbar aussieht. Wie konnte er wissen, dass dieser Weg für ihn möglich ist? Logischerweise gab es keine Ringe in der Route! Was, wenn sie zu schwierig war und ein Rückzug nötig werden sollte?

Und dann die Ausrüstung: Ein Hanfseil um die Brust gebunden. Ich will mir nicht vorstellen, was mit einem menschlichen Körper passiert, wenn er in ein solches um die Brust geschlungenes Seil fällt. Selbst wenn es nicht reißen sollte, wären schwerste Verletzungen unvermeidlich. Als letzter Schrei in punkto Ausrüstung galt der von Oskar Schuster um 1890 aus den Alpen in Sachsen eingeführte Kletterschuh mit Hanfsohle. Welche Reibungseigenschaften hatte der? Und dann die Sicherung selbst in einer Zeit, da der Karabiner noch nicht erfunden war, es keine superbruchfesten Kevlarschlingen usw. gab. Wo konnte Strubich mit dem damaligen Material in diesem Weg überhaupt eine halbwegs verlässliche Zwischensicherung legen?

Für uns heute vollkommen undenkbar, so zu klettern. Was für Kerle müssen das gewesen sein, die sich so eingebunden in den achten Grad gewagt haben? Im Bild ein Kletterer am Ostervorturm (Schrammsteine) in einem Hangelriss in den 1960er Jahren. Quelle: Wikipedia, Deutsche Fotothek Sächsische Schweiz.

Vielleicht war sich Strubich seiner Sache ja über alle Maßen sicher. Oder hatte der damals 31 jährige mit seinem Leben abgeschlossen? Warum schlug er keinen Ring?

Fest steht, dass mit der Begehung der Westkante am Wilden Kopf, vor fast genau 100 Jahren, ein Meilenstein der besonderen Art gesetzt wurde. Erstmals weltweit wurde eine Route in dieser Schwierigkeit geklettert. Wenn man nun bedenkt, dass noch fast 50 Jahre später der 6. Grad in den Alpen und anderswo als die Grenze des Menschenmöglichen angesehen wurde, kann man ermessen, was da am Wilden Kopf geschehen ist.

Die Kletterszene im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts im Elbsandstein mit ihren Protagonisten war ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus. Trotzdem oder womöglich gerade deswegen wurde sie anderswo praktisch nicht wahrgenommen. Heute ist das Gott sei Dank nicht mehr ganz so, was die neue Ausgabe des Magazins “berg und steigen” eindrucksvoll unter Beweis stellt. Übrigens für mich das relevanteste und informativste was es im deutschsprachigen Raum zum Thema gibt.

Dort wird in einem tollen Artikel mit Bernd Arnold ein anderer wegweisender sächsischer Kletterer gewürdigt. Wie Strubich ein Ausnahmetalent und in den Siebziger und Achtziger Jahren einer der weltweit besten Kletterer. Unbedingt lesen!

 

 


Idiotensicher?

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Früher war ganz sicher nicht alles besser. Früher war aber eine ganze Menge einfacher, viel einfacher, und das gilt besonders für den Bergsport. Früher gab es keine Lehrmeinung über die heftigst diskutiert wurde, solange bis man als aufstrebender Anfänger gar nicht mehr wusste, wie man es nun richtig machen sollte. Früher gab es den alten, erfahrenen Bergsteiger, zu dem ich aufsah, dem ich mich anvertraute und von dem ich lernte. Ich wusste, dass der es konnte, weil er so vieles gemacht und trotzdem überlebt hatte. Das gab mir das beruhigende Gefühl, in guten Händen zu sein.

Dieter Rülker war so eine Instanz für mich. Einer der Protagonisten in der DDR-Nationalmannschaft Alpinistik. Von ihm durfte ich sehr viel lernen. Hier bei unserer gemeinsamen Expedition zur Ama Dablam (6856 m) 2006.

Anderes Beispiel: Früher gab es den Halbmastwurf. Mit dem konnte man alles sichern: Vorstieg, Nachstieg, egal ob in Zweier- oder auch Dreierseilschaft und egal wo. Ob im Klettergarten oder an großen Wänden oder auch in der Halle. Nein nicht in der Halle, denn die gab es ja noch gar nicht. So ein Halbmastwurf war in 15 Sekunden erklärt und in den allermeisten Fällen in nicht viel längerer Zeit von den Kletteraspiranten verstanden und in Anwendungsbereitschaft gebracht. Und es funktionierte hervorragend!

Heute gibt es Smart, Click Up, Grigri 1/2/3 (oder nur 2?), MegaJul, Ergo, Eddy, Fish usw. und natürlich die diversen Ausführungen des gewöhnlichen Tubers oder ATC oder Reverso oder Pivot oder wie diese Dinger alle heißen. Und natürlich gibt es von den verschiedenen Firmen noch viele Geräte mehr, welche ähnlich funktionieren aber anders genannt werden und auch alle unterschiedlich aussehen. Durchweg tolle und vor allem sichere Geräte! Aber ich möchte heute nicht mehr Anfänger sein! Denn man trifft ständig auf die verschiedensten Meinungen, welches das sicherste, beste, das am einfachsten zu handhabende Gerät ist. Doch welches ist für mich das richtige? Und wie wird es angewendet? Das sagt mir im besten Fall der kundige Verkäufer im Bergsportladen. Im immer häufigeren Fall niemand, weil die Leute das Zeug irgendwo für ein paar Cent weniger als im Laden im Netz erwerben.

Sicherung im Toprope mit einem Tube von Black Diamond.

Und man glaubt es kaum. Dieses Beispiel ist nur eines von vielen. Ich könnte mich genauso auch über Schlingen ereifern. Dyneema, Aramid, Nylon? Mischgewebe? Was nehme ich denn nun als Selbstsicherungsschlinge oder für den Standplatzbau? Tja, die einen sagen so, die anderen so. Kaum zu glauben, das man darüber jahrelang diskutieren kann. Oder die Diskussion über Ausgleichsverankerung bzw. Reihenschaltung. Erst habe ich das eine gelernt dann das andere. Dabei ist es in der Praxis zumindest im Fels völlig egal, Hauptsache die Fixpunkte halten.

In der ziemlich eisschlaggefährdeten “Franzosenroute” am Alpamayo in Peru machen Jacob und ich Stand an einer hintersicherten Abalakov-Eissanduhr. Hier musste alles vor allem schnell gehen.

Gestorben wird in den Bergen nicht, weil man Polyethylen-Schlingen statt Schlingen aus Polyamid am Standplatz benutzt hat oder einen Halbmastwurf statt eines Autotubers. Gestorben wird, weil man nicht bei der Sache war, gepennt hat oder weil man schlichtweg Fehler gemacht hat, die mangelhaften Kenntnissen geschuldet waren. Oder weil einem ein Stein auf den Kopf fällt.

Was mich umtreibt, ist die Tatsache, dass sowas erschreckend oft passiert. Fünf Mal war ich unmittelbar dabei und einmal war ich derjenige, der so einen idiotischen Fehler gemacht hat. Nicht die Sicherungsmethode war Schuld oder der Sicherungsmann. Ich habe den Mist gebaut.

Der gegenwärtige Zustand meines linken Fersenbeines. Aber das hat natürlich auch sein Gutes. Denn seit diesem Unfall werde ich bei jedem einzelnen Schritt daran erinnert, dass ich beim Klettern und Bergsteigen gefälligst vorsichtig zu sein habe. Womöglich hat mir mein schmerzender Fuß schon das ein oder andere Mal mein Leben gerettet, und ich weiß das gar nicht…

Übrigens selbst in der Kletterhalle passieren für meine Begriffe zu viele Unfälle, obwohl ein Kletterer laut Statistik mindestens 100 Jahre jede Woche zwei Mal zwei Stunden klettern gehen muss, bis etwas passiert. Doch das bedeutet schauderhafter Weise nichts anderes, als das einer von hundert Kletterern pro Jahr mit dem Kranken- bzw. wenn es dumm kommt auch mit dem Leichenwagen aus der Kletterhalle gefahren wird. Einer von diesen 100 Leuten Jahr für Jahr! Und deshalb wird man irgendwann auch mal Zeuge eines solchen Unfalls und hört das Geräusch brechender Knochen noch Wochen danach. Erst letztens wieder.

Und wenn man dann fragt, warum denn in dieser Kletterhalle nicht ein großer Aushang gemacht wird, auf welchem der fatale Fehler ausführlich besprochen wird, dann wird man böse angeschaut. Dabei waren die Kletterhallenbetreiber nun wirklich nicht schuld, dass sich der junge Mann falsch eingebunden hatte. Der war nicht bei der Sache, hat nicht aufgepasst, hat nicht mitgedacht, denn hätte er das, dann hätte er sofort den Fehler erkannt und sein Sicherungsmann ebenso.

Hochbetrieb in einem Klettergarten bei Leipzig. Manchmal, wenn ich sowas sehe, bin ich froh und wundere mich ein bisschen, dass nicht mehr passiert.

Was ich meinen Klettergästen permanent einbläue, ist, dass man alles immer wieder auf seine Logik überprüfen, also seinen Verstand einschalten muss. Dass man immer 110 prozentig bei der Sache zu bleiben hat. Dass man sich niemals auf andere, schon gar nicht auf den ach so erfahrenen Kursleiter, Tourenführer, Berg-Freund verlassen darf. Das sind alles nur Menschen. Und Menschen machen nun mal Fehler. Und wenn etwas passiert, dann sollte man nicht andere dafür verantwortlich machen und sogleich den Anwalt einschalten. Denn in der Regel waren die Verunfallten selbst Schuld. Natürlich gibt es Ausnahmen von dieser Regel. Aber ganz selten!

Klettern im Sächsischen Elbsandstein hat ganz besonders viel mit Können, Erfahrung und souveräner Selbsteinschätzung zu tun. Hier zählt erst in vierter Linie das Material, denn Fallen darf man sowieso nicht 🙂 Ich klettere gerade die “Lebensuhr” an der Dürrebielenadel. (Foto: Sebastian Wahlhuetter)

Buchstäblich keine Ausnahmen macht die Technik. Ich habe in den 30 Jahren, die ich nun intensiv in die Berge gehe und klettere, noch nie erlebt, dass Technik versagt, wenn sie richtig angewendet wird. Die Ausrüstung ist immer sicher, weil x-Mal überprüft. Dass man das Seil in einem Sicherungsgerät auch falsch einlegen kann, ist niemals der Fehler eines Herstellers. Benutzt man ein Sicherungsgerät, einen Friend, eine Schlinge, dann muss man auch wissen wie und hat sich gefälligst damit zu befassen. Oder besser noch sich jemandem anzuvertrauen, der es einem beibringt und zwar so, dass der Schüler bald auf seinen Lehrer verzichten kann.

In diesem Wetterinferno am Oberreintalturm hat uns gerettet, dass ich mit der “Sonntagsarbeit” ganz bewusst einen Weg ausgesucht hatte, aus dem man ganz schnell wieder verschwinden kann, falls das Wetter verrückt spielt. Und das hat es.

Dass unser Sport Risiken birgt, da ist sich jeder bewusst. Wie schön hat die Natur das doch eingerichtet. Selbst nach 30 Jahren in der Vertikalen brauche ich bloß vom Boden abzuheben und zu fühlen, wie die Schwerkraft an mir zerrt, zu sehen, wie mein Sicherungsmann (-frau) auf Zwergengröße schrumpft und schon bin ich mir dessen in aller Deutlichkeit bewusst. Da kann ich machen, was ich will, und das geht wohl allen so. Ob ich gerade viel oder weniger Risiko eingehen möchte oder muss, auch darüber bin ich mir im Klaren.

Jacob und ich klettern in der Nordostwand des Quitaraju in Peru 2014. Hier sind wir ein ziemlich hohes Risiko eingegangen, weil dieser Grat sehr schlecht abzusichern war. Das sensationelle Foto hat freundlicherweise ein Kollege im Basislager gemacht, dem ich meine große Kamera in die Hand gedrückt hatte.

Doch wegen dieses Risikos zu Hause am Ofen zu bleiben, ist keine Alternative. Also müssen wir uns dagegen wappnen: Lernen, Erfahrungen sammeln, auf die Erfahrenen hören und von ihnen abschauen, Verantwortung für uns selbst und unsere Partner übernehmen. Vor allem aber müssen wir immer wach bleiben, wenn wir uns mal wieder der Schwerkraft entgegenstemmen und auch rigoros verzichten und uns in Demut üben, wenn wir spüren, dass wir dieser oder jener Tour einfach nicht gewachsen sind.

Und wenn wir dann auch noch das Glück haben, nicht irgendwann einmal zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, dann haben wir die Chance, gute weil alte Bergsteiger zu werden…

Lawinen sind extrem tückisch. Aber selbst sie sind in den Bergen kaum unausweichliches Schicksal. Oft genug muss man eben verzichten, wenn die Gefahr zu groß ist.

Nachtrag zu “Idiotensicher?”

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Ich bin verwundert. Da sitze ich am Schreibtisch und mir drängt sich ein Thema für einen Beitrag in meinem Blog auf. Inspiration gibt es genug. Den Ausschlag für den letzten Blog “Idiotensicher?” gab ein Unfall in der Leipziger Kletterhalle no limit. Ein Kletterer fiel ungebremst vom Umlenker auf den Boden. Er hatte Glück, weil dort, wo er aufschlug, eine Matte lag. Trotzdem war er sehr schwer verletzt. Sein Fehler, er hatte sich an die einzige Stelle seines Gurtes eingebunden, die selbst bei geringer Belastung heute noch reißen wird.

Klettere ich voraus, und das tue ich so gut wie immer, dann ist es erstaunlich, wie abhängig ich von meiner eigenen Einschätzung bin, wie es um meinen Sicherer da unten bestellt ist. Wenn ich weiß, dass er oder sie da unten fühlt, was ich fühle, wenn ich weiß, dass er aufmerksam sein wird, auch wenn es mal wieder länger dauert, wenn ich mir sicher bin, dass er das Sichern beherrscht, dann bin ich der wesentlich bessere Kletterer. (Foto: Ulf Wogenstein)

Es war kaum zu glauben, dass so etwas passieren kann. Beide, Kletterer und Sicherungsmann hatten ganz offensichtlich ihr Gehirn komplett ausgeschaltet. Und fast noch im selben Moment als ich kopfschüttelnd da stand und mir den Gurt anschaute, musste ich an die vielen zum Teil hitzigen Diskussionen denken über Sicherungsgeräte und ihre Vor- und Nachteile, Bremshandpositionen, Schlingenmaterialien, dreifach zertifizierte Seile und was weiß ich noch alles. Die einschlägigen Zeitschriften sind voll davon. Trotzdem war der Absturz eben passiert!

Der “Smart”, zur großen Gruppe der Autotuber gehörig, ist nach wie vor ein viel gebrauchtes, bedienungsfreundliches Gerät.

Also, so dachte ich mir, gibst Du auch mal deinen Senf dazu. Womöglich hatte deine Botschaft irgendeine Relevanz. Doch was dann passiert ist, nämlich das von heute auf morgen tausende von Leuten diesen Artikel anklicken, lesen und auch noch positiv kommentieren, das hat mich schon gewundert und sehr überrascht. Offensichtlich trifft dieses Thema tatsächlich einen Nerv. Was ist es aber nun, was die Kletterergemeinde umtreibt? Und nicht nur die. Ich denke, dass es bei vielen so ähnlich ist wie bei mir.

Sechs Jahre alt und steigt vor wie ein großer. Auf ihm ruhen viele Hoffnungen. Es wird nicht mehr lange dauern, dann werden wir ihm die Wege nachsteigen, die wir uns nicht mehr trauen. Ach und er wächst, anders als wir, mit dieser Ausrüstungsvielfalt auf.

In meiner Lebenswirklichkeit hat sich Einfachheit immer bewährt. Das Gegenteil von Einfachheit aber ist die unübersehbare Tendenz in unserem Sport. Die Bedienungsvielfalt unserer Ausrüstung nimmt ständig zu. Es wird immer komplizierter, sich zu entscheiden, was denn nun das Beste ist. Und es wird immer schwieriger, aufeinander Acht zu geben. Wenn mein Nachbar in der Kletterhalle mit einem Gerät sichert, dass ich noch nie gesehen habe, wie soll ich wissen, ob er das überhaupt richtig bedient?

Für mich immer wieder ein schönes Training auch für die Moral. Bohrhaken einfach ignorieren und selbst absichern. Hier im “Weg der Tauben” in Löbejün. (Foto: Ulf Wogenstein)

Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass dieses Problem des ausufernden Überangebotes wohl nicht lösbar sein wird. Ich nehme an, dass wir nicht irgendwann sagen können: Schluss jetzt, ab sofort wird in den Kletterhallen nur noch mit dem bremshandpositionsunabhängigen Halbautomaten namens Grigri von Petzl gesichert. Vereinheitlichung plus maximale Sicherheit. Supersache! Aber der Unfall, von dem ich anfangs berichtet habe, wäre trotzdem passiert.

Rissklettern im Elbsandstein. Für mich ein echtes Lernfeld. Und auch schon oft ein Alptraum. Hier muss der Sicherer so richtig auf Zack sein. Janina sichert mich mit dem Tube, obwohl ich im Vorstieg lieber mit dem Click Up gesichert werden möchte. Doch wenn die Zwischensicherungen eher zweifelhaft sind, dann ist die Möglichkeit, schön weich zu sichern, sehr wichtig.

Damit es keine Missverständnisse gibt, übrigens der Hauptgrund für diesen kurzen Nachtrag: Moderne Sicherungsgeräte bieten eine Sicherheitsreserve, die es zu nutzen gilt. Ich tue das ganz konsequent. Ich sichere meinen Vorsteiger im Klettergarten oder der Halle mit einem Click Up. Sichere ich jemandem im toprope, benutze ich das Grigri. Bin ich alpin unterwegs, sichere ich mit dem Pivot also einer Art Tube sowohl im Vorstieg als auch im Nachstieg, weil sich dieses Gerät als Sicherungsplatte benutzen lässt. Und wenn aus irgendwelchen Gründen die Seile alt, fett und steif sind oder es ganz schnell gehen muss, dann bleibt einem manchmal gar nichts anderes übrig, als den guten alten Halbmastwurf zu gebrauchen. Und das passiert oft.

Und so richtig interessant und anspruchsvoll wird es dann im Hochgebirge, wenn die ganze Palette des Wissens, Könnens und der Erfahrung abgefragt wird. Kombiniertes Gelände heißt Sichern im Fels und im Eis. Ständiges Einschätzen des Wetters, der Lawinengefahr, der Möglichkeit von Stein- und Eisschlag, des Grades der Erschöpfung bei sich und den anderen usw. In solchem Gelände hat man oft genug die Tür hinter sich zugeschlagen. Dessen muss man sich in jedem Augenblick bewusst sein. Hier am Westgrat des Shivling im vergangenen Jahr.

Und ich wiederhole mich. Das einzige, was uns in dieser Lage hilft, ist eben Wachheit, Lernbereitschaft und die Akzeptanz, dass wir uns nicht nur in den richtigen Bergen sondern selbst in einer Kletterhalle bzw. -garten in echte Gefahr begeben. In größere Gefahr als uns das bewusst ist und lieb sein kann! Davon bin ich überzeugt.

Selbst übertroffen

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Fertig! Der neue, dritte Trailer zum Shivling-Vortrag über unsere letztjährige Expedition zu einer der beeindruckendsten Berggestalten auf unserem Globus! Ab sofort kann man ihn so oft man will auf der Startseite meiner Homepage anschauen. Und hier in diesem Beitrag selbstverständlich auch. Und ich werde das in nächster Zeit voraussichtlich das ein oder andere Mal tun, denn er ist so geil!

Ulf hatte ja angesichts des Materials, welches wir vom Berg mitgebracht haben, den Vorschlag gemacht, drei kleine Filme zu produzieren, die alle aufeinander aufbauen. Er wollte immer ein bisschen mehr verraten von der Großartigkeit unseres zweiwöchigen Anmarsches, der Schönheit des Berges und von unseren aufregenden Klettereien entlang des Westgrates.

Dieses kleine technische Wunderwerk hat uns Bilder beschert, wie man sie tatsächlich noch nie gesehen hat. Das macht diesen Trailer und vor allem den Vortrag zu etwas Besonderem.

Doch das hört sich einfacher an, als es war, denn auf einer herausfordernden Aktion wie unsere Besteigung des Shivlings, befinde ich mich immer in einer Zwickmühle. Der Berg fordert meine gesamte Ausdauer und Aufmerksamkeit. Trotzdem muss ich bei den Aufstiegen Zeit und Kraft für das Fotografieren und Filmen aufbringen. Das ist nun mal notwendig, wenn ich von meiner Leidenschaft irgendwie auch leben will. Oft genug bringt mich diese Notwendigkeit in die Bredouille. Wird Zeit und Kraft, die ich dafür aufwende, vielleicht letztendlich beim Aufstieg fehlen?

Wenn dann aber Ruhetag ist und auch die Akkus der Kamera geladen sind, dann nimmt man sich sogar Zeit für das Foto vom Fotomachen, wie Jacob es von mir am Shivling getan hat. Was gutes ist dabei rausgekommen.

Irgendwie leidet unter diesen Zusatzaufgaben sowohl das Eine als auch das Andere, vor allem aber die Filmerei. Ein Foto ist schnell gemacht, da bin ich inzwischen ziemlich versiert. Meine Ausrüstung ist perfektioniert, was eine rasche Reaktion auf ein auftauchendes Motiv anbelangt. Beim Filmen ist das anders. Es ist keine Momentaufnahme. Filmen dauert. Filmen nervt, besonders die Protagonisten. Gefilmt wird deshalb meistens nur ganz nebenbei, besonders wenn es tatsächlich spannend wird.

Lange Rede kurzer Sinn. Was Ulf aus unserem Material gemacht hat, ist richtige Kunst. Die kommt ja bekanntlich von Können. Ulf hat sich selbst übertroffen. Er machte sich meine Vorstellungen zu eigen und setzte sie eins zu eins um. Er schaffte es, genau das zu transportieren, was den Vortrag ausmachen wird bzw. ausmacht, denn der ist ja auch schon fertig und wartet auf seine erste Probepräsentation.

Doch genug geredet. Jetzt viel Spaß beim Anschauen.

 

Zweifel sind angebracht

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Manchmal zweifele ich an mir. Bin ich vielleicht ein hoffnungslos Gestriger? Einer, der den Anschluss verlieren wird? Kluge, junge Leute meinen, die totale Digitalisierung unserer Lebens- und Arbeitswelt würde vieles, ja alles besser, schneller, leichter werden lassen.

Doch in meiner Lebenswirklichkeit beschleicht mich häufig das Gefühl, als würde die bisher stattgefundene Digitalisierung meines Lebens mir viel Zeit und Kraft rauben, weil ich heute Dinge tun muss, die früher gar nicht vorkamen, die wir uns nicht vorstellen konnten, weil sie nicht einmal in Science-Fiction-Filmen vorkamen. Aber das ist sicher eine Täuschung. Ich muss mich irren. 

Allerdings ist in dieser Hinsicht problematisch, dass ich mich gut an mein “anderes” Leben ohne Internet und ohne Telefon erinnern kann. Ein Leben ganz ohne Telefon ist tatsächlich möglich. Meine Familie besaß auch noch Jahre nach der Wende (1989) keines und im großen Rest meiner gesamten Straße hatte in der DDR nur der ABV eins (Abschnittsbevollmächtigter der Volkspolizei). Und die einzige Telefonzelle in etwa 1,5 Kilometer Entfernung war entweder besetzt oder kaputt, jedenfalls immer dann, wenn man dringend telefonieren musste.

Ich höre die Worte meiner Marketingexpertin von der Projecter GmbH, die mich, der ich nie etwas mit Facebook und Co. am Hut hatte, rigoros umstimmen konnten: Wenn du kein Geld hast und trotzdem dahin willst, wo die Leute sind, bleibt Dir nur eins: Social Media Marketing. Seitdem bin ich bei Facebook und habe nicht weniger als 14200 Fans. Wie ist das nur passiert?

Wir schrieben Briefe, mindestens ein oder zwei die Woche. Und tatsächlich, dass dauerte ewig! Per Hand, ich brauchte Papier, einen Stift, Tinte, eine Briefmarke, einen Briefumschlag und dann musste der Brief auch noch zur Post gebracht werden. Und mir fallen noch so viele andere Dinge ein. Für meine Überweisungen musste ich zur Bank. Wollte ich jemanden wieder sehen, musste ich ihn besuchen. Und hatte ich mich mit Freunden verabredet, musste ich die Verabredung einhalten, selbst wenn ich plötzlich keine Zeit oder Lust mehr hatte, weil ich ja nicht kurz vorher mal schnell per WhatsApp absagen konnte. Furchtbar!

Der Platz ist selbst in diesem Medium zu klein, um all die Errungenschaften der Digitalisierung aufzuzählen. Es ist also eindeutig bewiesen! Die Digitalisierung spart enorm viel Zeit und Kraft. Alles andere ist pure Einbildung. Nur der Strom darf niemals ausfallen, denn dann bricht das Chaos los. So viel steht fest.

Warum mir das gerade jetzt in den Kopf kommt? Weil zwei so durch und durch altmodische Dinge vor mir auf meinem Schreibtisch liegen. So altmodisch, dass ich mir gerade denke, dass ich womöglich doch ein hoffnungslos Gestriger bin. Und weil ich mich nämlich auch noch darüber freue.

Vor mir liegt druckfrisch der neue Kalender. Seit 2011 gibt es Jahr für Jahr eine neue Bilderreise in die Welt der Berge in Form eines Kalenders. Dass sich im Kalender für 2019 unser Shivling-Projekt widerspiegelt, versteht sich fast von selbst, denn ich hoffe natürlich auf viele Käufer bei der Vortragspremiere in der Stadtbibliothek am 26. Oktober um 17 Uhr hier in Leipzig. Ab sofort ist er auch im Online Shop zu haben und kann hier bestellt werden. Die Hälfte der Auflage war übrigens schon verkauft, bevor er überhaupt aus der Druckerei kam.

Der Oberlichtsaal in der Leipziger Stadtbibliothek ist einer der schönsten Vortragsräume unserer Stadt. Ich freue mich drauf, hier die Premiere meiner brandneuen Multivision präsentieren zu dürfen.

Und das gilt auch für die Premierentickets des Shivling-Vortrages. Noch nie lief der Vorverkauf so gut, wie dieses Mal. Woran liegt das? Am Erfolg des Feuerlandvortrages? Am Trailer von Ulf oder weil wir eine Drohne am Berg dabei hatten? Oder weil es nur diese eine Veranstaltung am 26.10. geben wird? Wer auf Nummer sicher gehen möchte, der bestellt die Karten im Internet in meinem Online Shop oder noch besser, er geht beim nächsten Stadtbummel beim tapir vorbei und holt sich dort welche. In den tapir zu schauen, lohnt sowieso immer.

Ich schätze vieles am tapir. Am meisten aber gefällt mir, dass ich hier ständig auf die neuesten Trends und Innovationen der Outdoorbranche stoße. Hier ist man ganz nah dran am Puls der Zeit in der Welt der Ausrüstung für das Draußensein. Das ist nicht selbstverständlich.

Und dann startet ab heute auch die Grußpostkartenaktion für unsere große Doppelexpedition im nächsten Jahr zu Laila- und Hidden Peak in Pakistan. Und da sind wir wieder beim Thema. Eine Grußpostkarte? Das ist doch ein Relikt aus dem vorigen Jahrtausend? Aber Fakt ist, auch im Zeitalter von Youtube, Instagram und Co. kommt eine eigenhändig gestaltete und handsignierte Karte, die aus einem fernen Land gesendet wurde, so gut an wie eh und je. Meine Grußpostkartenaktionen funktionieren nach wie vor und das nun schon seit genau 20 Jahren.

Die erste Grußpostkarte haben wir 1999 für meine zweite große 8000er Expedition zur Nordwand des Cho Oyu gestaltet. 13 weitere folgten. Unsere neue Karte ist demnach die Nummer 14. Übrigens habe ich mir nicht nur einmal harsche Kritik von Sammlern anhören müssen, weil wir bei der einen oder anderen Reise auf eine Grußpostkarte verzichtet haben.

Ich würde mich nicht nur sehr freuen, wenn wir abermals viele Karten nach Pakistan mitnehmen müssen, um sie dort im Angesicht von Gasherbrum 2 und Hidden Peak im Basislager zu unterschreiben. Ich wäre auch sehr erleichtert! So ein 8000er ist nach wie vor nicht nur wahnsinnig hoch, sondern vor allem wegen der Besteigungserlaubnis, des Verbindungsoffiziers und der aufwendigen Logistik auch unverschämt teuer. Wir brauchen einfach Eure Hilfe bei der Finanzierung unseres Unternehmens:

Deshalb möchten wir Euch herzlich bitten, uns mit dem Kauf dieser Grußpostkarte zu helfen. Wenn Ihr 7,- € oder gern auch mehr auf unser Expeditionskonto einzahlt, erhaltet Ihr die von allen Expeditionsteilnehmern handsignierte Karte aus dem Basislager des Hidden Peak zugesandt.

Sparkasse Leipzig, Empfänger: Dr. Olaf Rieck

IBAN: DE27 8605 5592 1800 8330 47
BIC: WELADE8LXXX

Verwendungszweck: Euren Namen und Eure Adresse (Das ist besonders wichtig, weil wir sonst nicht wissen können, wohin die Karte geschickt werden soll)

Wenn Ihr möchtet, dass wir die Karte an Freunde oder Verwandte senden, dann muss deren Adresse unter Verwendungszweck erscheinen.

Und dann möchte ich zum Schluss noch auf eine Veranstaltung aufmerksam machen, die für uns Bergsportbegeisterte hier in Mitteldeutschland zu einer echten Herzensangelegenheit geworden ist. Zum 20. Mal findet in diesem Jahr das Bergfilmfestival statt. Große Tradition, großes Engagement, große Kulisse am 24. und 25. August am Gaudlitzberg bei Böhlitz. Alles was Ihr wissen müsst findet Ihr hier!

Gemütlicher gehts kaum! Impression vom vergangenen Jahr.

So, damit sind wir wieder auf dem neuesten Stand. Bleibt mir noch, meinen Lesern eine spannende zweite Sommerhälfte zu wünschen mit möglichst vielen bleibenden Eindrücken und Erlebnissen in den Bergen und immer eine handbreit Luft unter dem Hintern!

Und hier noch einmal der brandneue Vortragstrailer:

 

 

 

Baltoro 2018

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Jeder der mich kennt, weiß, dass ich ziemlich schnell und sehr intensiv ins Schwärmen gerate, wenn es um großartige Landschaften geht. In meinen Vorträgen kann man das regelmäßig erleben. Aber ich stehe zu dieser schwärmerischen Ader. Und manchmal ist es völlig unmöglich, sich nicht heillos zu begeistern. Ganz besonders ging mir das auf dem Baltoro-Gletscher in Pakistan so.

Drei Expeditionen haben mich inzwischen dorthin geführt, und es sieht ganz so aus, als ob es noch ein paar mehr Besuche werden könnten.

Nicht umsonst gilt das Tal des Baltoros als das womöglich eindrucksvollste auf unserem Globus. Es ist tatsächlich kaum zu glauben, welche großartigen Bergblicke einen hier erwarten. Einige davon gibt nun in meinem neuen Kalender zu bestaunen. Seit gestern ist er gedruckt und deshalb über meinen Online-Shop ab sofort lieferbar. In meinem Bergsportausrüster tapir kann man ihn ab September kaufen. Doch wie jedes Jahr gibt es auch diesmal eine auf 400 Exemplare begrenzte Auflage, die aber zu gut 50 Prozent schon an meine Firmenkunden verkauft ist. 

Wer das Besondere erleben will, muss entweder etwas Besonderes tun oder an exklusive Orte reisen. Die Khumburegion des Himalaya ist ein solcher Ort! Im Hintergrund thront der höchste Berg der Erde!

Die zweite wichtige Information dieser news sind die wieder freien Plätze für die Vier-Täler-Tour 2018. Leider haben gleich sechs Gäste aus verschiedenen Gründen ihre Teilnahme an dieser Tour, die vom 12. Februar bis zum 11. März 2018 stattfinden soll, wieder absagen und auf 2019 verschieben müssen. Das hat es auch noch nicht gegeben. Eben noch gänzlich ausgebucht und plötzlich besteht wieder die Chance für etwas kurzentschlossenere. Detaillierte Informationen zu dieser Reise sind hier zu finden!

In einer der letzten Weiterbildungen waren wir am Salbitschijen. “Führen und Klettern in schwierigen Granittouren” lautete damals das Thema. Ich muss dort unbedingt noch mal hin! Schon wegen dieser Route hier auf dem Foto: “Mocca” 6a+, 6 SL, ein Traum!

Apropos finden. In den kommenden Tagen bin ich endlich mal wieder nicht am Schreibtisch oder im Elbsandstein sondern in den Alpen zu finden. Am Freitag geht es in die Silvretta auf die Saarbrücker Hütte. Dort findet eine Weiterbildung zum Thema “Führen und Sichern im hochalpinen Gelände” statt. Alle drei Jahre ist so eine Veranstaltung notwendig, um die Fachübungsleiterlizenz behalten zu können. Ohne diese obligatorische Weiterbildung erlischt diese Lizenz und man ist nicht mehr berechtigt, sich Fachübungsleiter zu nennen. 

Ich freue mich schon darauf, mal wieder auf den neuesten Stand der Lehrmeinungen gebracht zu werden. Allerdings sieht die Wettervorhersage leider nicht ganz so prickelnd aus.

Anschliessend geht es mit Sven nach Zermatt. Dort wollen wir ein paar Nordwände klettern, um uns klettertechnisch auf unser großes Ziel in diesem Jahr, den Shivling, vorzubereiten. Unsere Pläne dort sind sehr konkret. Was wir allerdings davon realisieren können, hängt natürlich ausschließlich von den Bedingungen ab. Irgendwas wird schon gehen.

Ein Pflichtziel war natürlich der tapir. Denn ohne meinen treuen Ausrüster und Sponsor würde ich ganz sicher schon lange keine Touren mehr führen und vielleicht seit Jahren längst wieder Tierarzt sein…

Tja und zum Schluß noch zu einem extrem freudigen Ereignis der letzten Tage. Seit fast zehn Jahren führen wir beide gemeinsam meine Gruppen in Nepal. Nun war Te Kumar Rai das erste Mal in Leipzig. Und wir beide haben uns darüber gefreut, wie die Schneekönige!

Kumar war vollkommen vom Völkerschlachtdenkmal geplättet. Sowas in der Art hatte er überhaupt noch nicht gesehen.

Ich bin buchstäblich mit niemandem so häufig und so lange in den Bergen unterwegs gewesen wie mit Kumar. Oft haben wir gemeinsam schwierige Situationen gemeistert. Besonders was die Kommunikation mit den Trägern anbelangt, ist er eine sichere Bank und mit einer Menge Feingefühl und Erfahrung ausgestattet. Und nicht zuletzt lieben Kumar meine Gäste, vor allem die weiblichen. Seiner fröhlichen und absolut authentischen Art kann sich einfach keiner entziehen.

Ich weiß, dass ich mich einhundertprozentig auf Kumar verlassen kann. Das ist eine Tatsache, die man mit Geld gar nicht bezahlen kann. Wir sind wirklich gute Freunde geworden in diesen vergangenen zehn Jahren, und ich hoffe sehr, dass Kumar mir auch die nächsten zehn Jahre treu bleibt!

 

 

Devils`Dancefloor Teil 2

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Hamaroyskaftet

Warum gibt es bei von Menschen gemachter Kunst so völlig unterschiedliche Auffassungen über Schönheit, bei Bergen aber nicht? Zumindest ist das meine Erfahrung. Und was macht einen Berg aus, den alle Leute schön finden? Beim Matterhorn herrscht diesbezüglich Konsens, beim Alpamayo, der Ama Dablam und dem Hamaroyskaftet ebenso! Eine schlanke, völlig freistehende, himmelwärts strebende Granitfelsgestalt von atemberaubender Kühnheit. Sie war das zweite Ziel von Uwe und mir in den vergangenen zwei Wochen im Norden Norwegens.

Mit dem Hamaroyskaftet hatten wir uns den anderen im wahrsten Sinne herausragenden Gipfel Norwegens ausgesucht. Die Kletterführerautoren schwärmen in ihrem Werk von diesem Felsen. Und ich brauche ja nur ein Foto einer solchen Berggestalt zu sehen und schon bin ich in ihr Kraftfeld geraten, welches mich von nun an magisch anzieht. Ein Entkommen ist schwierig bis unmöglich. Das Bild von diesem Gipfel nistet sich in meinem Kopf ein, wird zu einem Tagtraum und verschwindet erst dann, wenn ich oben stand. Und das scheint bis zu einem gewissen Grad sogar eine Art ansteckende Krankheit zu sein.

Der Hamaroyskaftet aufgenommen mit der Mavic Pro von Osten. Sogar ich bin mit auf dem Foto. Im Hintergrund die Lofoten. An diesem Tag stimmte einfach alles: Tolles Wetter, spektakuläre Aussicht, grandioser Gipfel. Was für eine Freude, dort oben gewesen zu sein!

Wieder hatten wir Glück. Nach zwei kühlen norwegischen Nieselregenwettertagen versprach die Prognose Besserung. Auf einer ersten Erkundungsfahrt in Richtung Hamaroyskaftet entdeckten wir den Eidetind bzw. seinen Südostpfeiler. Gab es dort eine Route hinauf? Die Sonne schien und lud zum Klettern ein. Wir entschieden uns gegen die Kutscherei mit dem Auto und trotz der unsicheren Vorhersage für den Eidetind, denn das Wetter sah zumindest schön aus!

Der Eidetind ist nach dem Stetind das am zweithäufigsten besuchte Ziel in der Kletterregion südlich von Narvik. Und der Südostgrat hier im Bild, wen wundert es, ist wiederum die am häufigsten gekletterte Route an diesem Gipfel.

Lange Rede kurzer Sinne, wir waren zu voreilig. In der vierten Seillänge öffneten sich die Himmelsschleusen, und es fing nicht nur so ein bisschen zu regnen an. Zu allem Überfluss hatte ich meine Regenjacke im Zelt gelassen, denn Klettern war ja noch gar nicht geplant.

Als wir das Regenselfie gemacht haben, glimmte die Hoffnung noch, dass es vielleicht gleich wieder aufhören würde. Diese Hoffnung zerfloss aber rasch, und wir begannen, abzuseilen. Die Rissverschneidungen wurden zu Regenrinnen in denen das Wasser in Fallgeschwindigkeit die Wände hinab schoss. Aber so wurden Kletterschuhe, Seile und Füße mal einer Hochdruckreinigung unterzogen. 

Am nächsten Tag siedelten wir nach einer reichlich 100 Kilometer langen Autofahrt vom Stetind an den Fuß des Hamaroyskaftet um. Hier fanden wir einen Biwakplatz  in augenscheinlich bester Lage und die Wetterprognose gleich für die ganze Woche war vorzüglich. Ich konnte unser Glück kaum fassen. Unser Kletterzeug würde wieder trocknen.

Alles da: Ebene Wiese, Wasser, Sonne, Berg vor der Nase. Ich will zurück…

Es gibt am Hamaroyskaftet nur vier Routen. Und zack, schon wären wir wieder beim Thema Trad-Klettern. Auf diesen Traumgipfel nur VIER Routen? Gäbe es Bohrhaken, dann wären es definitiv mehr. Diese Haken gibt es aber auch hier nicht. Also kann man ausschließlich nur solche Linien klettern, die mit mobilen Sicherungsmitteln abgesichert werden können. Das schränkt die Möglichkeiten enorm ein und schreckt viele oder sogar die meisten Kletterer ab. Die Aussicht, die Route, ihre Absicherungsmöglichkeiten und selbst die Standplätze suchen zu müssen, bewahrt auf alle Fälle die von uns besuchten Klettergebiete vor Massenandrang. An unserem Hamaroyskaftet, nach Einschätzung norwegischer Kenner der zweitschönste Gipfel Skandinaviens, blieben wir die ganze Zeit mutterseelenallein.

Links Uwe am Einstieg beim Ausrüstung sichten, sortieren, auswählen und zu guter Letzt ordentlich am Gurt verstauen. Ein aufgeräumter Gurt, an dem alles an seinem Platz hängt und man nicht ewig an einem Arm hängend nach der richtigen Friendgröße suchen muss, ist das A und O beim Trad-Klettern. Rechts steigt Uwe die letzten Meter zum Gipfel.

Und wieder standen wir vor der Frage, wie wir es mit dem Vor- und dem Nachstieg halten. Die stellt sich häufig, wenn eigentlich beide vorsteigen können und das auch wollen. Am Hamaroyskaftet war ein Konsens kein Problem, ganz einfach, weil hier viel weniger Seillängen zu klettern sind als am fast drei Mal so mächtigen Stetind. Dort unter dem Südpfeiler mit seinen 15 Seillängen gab es bei Uwe und mir unterschiedliche Ansichten.

Ich möchte grundsätzlich gerne in Wechselführung klettern. Einer steigt vor und der andere nach und in der nächsten Seillänge ist es umgekehrt. Das geht am schnellsten. Der Nachsteiger hat die Ausrüstung schon am Gurt, weil er ja die Zwischensicherungen seines Vorsteigers eingesammelt hat. Das Seil liegt schon richtig am Stand, so dass es dort kaum oder gar keinen Zeitverlust gibt.

Der Kletterführer hatte mit seiner Ankündigung eines grandiosen Ausblickes vom Gipfel des Hamaroyskaftet kein bisschen übertrieben.

Doch Uwe findet die Tatsache zu Recht unangenehm, dass der Nachsteiger, ohne zu ruhen oder sich über den Weiterweg orientieren zu können, sofort zum Vorstieg übergehen muss. Und die Orientierung ist in einer cleanen Route nun wirklich wichtig. Schauen und sich den Weiterweg überlegen, kann der Vorsteiger genau dann, wenn er seinen Nachsteiger zu sich herauf sichert. Lange Rede, kurzer Sinn, wir haben am Stetind zu einem guten Kompromiss gefunden. Die ersten zehn Seillängen sind wir im Block geklettert. Die erste Hälfte bin ich, die andere ist Uwe vorgestiegen. Als es dann oben deutlich schwieriger wurde, wechselten wir uns öfter ab.

Wie auf dem Stetind, sollte es auch hier oben ein Gipfelbuch geben. Und tatsächlich. Wir mussten zwar ein bisschen suchen, aber es war da.  Wir elbsandstein-konditionierten Kletterer fühlen uns erst nach dem Gipfelbucheintrag richtig oben 🙂 (Foto: Uwe Daniel)

Am Hamaroyskaftet sind wir zwei Routen geklettert. Die eine, namens “Kosesprekken” ist Uwe, die andere, den “Normalveien” also den Standardweg, bin ich vorgestiegen. Damit hatten wir diesen Gipfel regelrecht abgearbeitet. Eine Erstbegehung wäre vielleicht dort noch machbar.

Nach dem Hamaroyskaftet war unsere Zeit in Norwegen fast schon wieder vorbei. Deshalb entschlossen wir uns, gemütlicher als auf dem Hinweg, wo uns ja der Wetterbericht im Nacken saß, die fast 3000 Kilometer Rückweg anzugehen. Auf dem Hinweg hatten wir es bei der Fahrerei ein wenig übertrieben.

Dass nach den beiden Gipfeln ganz sicher zweitwichtigste Ergebnis dieser Reise nach Norwegen war die Erinnerung daran, wie schön es dort ist. Ich habe meine alte Liebe für dieses Land wiederentdeckt. Sofort nach der Wende war ich ja gleich fünf Mal in Norwegen bzw. Spitzbergen unterwegs. Meine allererste große Reise nach dem Mauerfall führte nicht in die Alpen sondern in dieses wunderschöne Land. Und ich bin ganz sicher, dass es bis zum nächsten Mal nicht wieder 25 Jahre dauern wird. Wenn alles gut geht, und ich gesund bleibe, werde ich schon im kommenden Jahr wieder dort sein. Darauf freue ich mich mal und zwar ab sofort.


Zum Schluss noch ein wichtiger Hinweis auf den kommenden Samstag: Outdoor-Schnäppchenjagd beim tapir-Flohmarkt am Samstag den 22. September um 10.00 Uhr 

Die Kombination ist ja nicht wirklich selten: Dringender Ausrüstungsbedarf und gleichzeitig ein vielleicht nicht ganz so prall gefülltes Portemonnaie. Wem das so geht, der darf sich den tapir-Flohmarkt nicht entgehen lassen. Gebrauchte Ausrüstung und Top-Sonderangebote. Und diesmal sind diese Sonderangebote sogar besonders interessant, denn es sind gleich 400 Marmot-Teile der Musterkollektion mit 50 % Rabatt im Angebot! Dazu tolle Atmosphäre, kompetente Ansprechpartner, leckere Suppen, Kinderbespaßung und vor allem die legendäre Versteigerung! Allein dieses Spektakel lohnt den Weg in den tapir allemal!

Aber auch wenn man selbst etwas verkaufen möchte, ist der Flohmarkt im tapir die beste Adresse weit und breit. Selbst verkaufen geht ebenso wie von den tapiren verkaufen lassen. Einfach in der Flohmarktwoche also von heute bis Donnerstag seine Sachen in den tapir bringen, fertig. Und schon ist die Ebbe im Geldbeutel nicht mehr ganz so groß und man hat auch einen Beitrag für die Umwelt geleistet. Denn Weiternutzen ist immer besser als wegwerfen!

Der tapir-Flohmarkt ist auf jeden Fall Leipzigs Ausrüstungsbasar Nummer 1

Das Furtenbach Prinzip

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Es gibt Diskussionen, die man eigentlich gar nicht erst führen sollte. Aber manchmal muss man eben auch Stellung beziehen. Zu groß ist die Plattform, die Lukas Furtenbach inzwischen gegeben wird. Jetzt sogar in der neuesten Ausgabe von bergundsteigen. Ich habe dieses Magazin immer sehr geschätzt. Also ein paar Mal Ein- und wieder Ausatmen zur Entspannung bevor ich losschreibe.

Die Größe und Erhabenheit dieses gewaltigen Berges spüren, Land und Leute kennenlernen, auch die, welche die Gefahren und die Leiden auf sich nehmen, die Lager einzurichten, die Seile zu verlegen und mit einem zum Gipfel gehen. Und nicht zu Letzt schlechtes Wetter auszusitzen. Dazu braucht man wesentlich mehr als drei Wochen einschließlich An- und Abreise!

Die “erste signifikante Innovation im klassischen Expeditionsbergsteigen seit 40 Jahren” reklamiert der Mann für sich und meint, dass auf Grund seiner bahnbrechenden Ideen in 5-10 Jahren niemand mehr zwei Monate an einem Achttausender verbringen wird. Und schon gar nicht am Everest. Und hoffentlich hat er da sogar Recht. Aber bitte aus anderen Gründen als er sich das denkt.

Im Mai diesen Jahres haben alle Teilnehmer seiner 2014 gegründeten Agentur Furtenbach Adventures den Gipfel des Everest erreicht und zwar in 20 Tagen ab Europa. Das ist fürwahr schnell und für ihn und die Teilnehmer ein großer Erfolg. “Everest Flash” hat er das genannt und von den Teilnehmern 95000 Euro erbeten, die sie offensichtlich ganz freiwillig auch bezahlt haben. Ich gratuliere! Was sind das doch für Helden und vor allem was für Glückspilze!

Es ist schon ziemlich kuschelig im Everest-Basislager. Jedenfalls bekommt man hier wenigstens mit, wenn der Kollege im Nachbarzeit vom Khumbuhusten geplagt wird.

Ich will hier gar nicht fragen, was denn geschehen wäre, wenn in diesem Minizeitfenster mieses Wetter die schönen Pläne zunichte gemacht hätte. Gäbe es in diesem Falle Geld zurück? Der ganze teure Sauerstoff wäre ja nicht angerührt worden? Und der wird ja nicht schlecht. Die Sherpas bekommen vor allem Geld fürs Tragen. Das hätten sie aber nicht zu tun brauchen. Also bei schlechtem Wetter spart Furtenbach einen Haufen Kohle. Na ja egal.

Logisch, dass man sich für “Everest-Flash” schon zu Hause akklimatisieren muss. Anstatt im Basislager oder auf einer Akklimatisationstour im Angesicht der Weltberge und des Sternenhimmels im Himalaya kann man das jetzt vor dem Fernseher in einem Zelt in seinem Wohnzimmer tun. Es gibt scheinbar Leute, die das wirklich wollen. Die neuesten Systeme erlauben die Simulation von Höhen bis 8000 m. Und da der Luftdruck bei der ganzen Sache eine untergeordnete Rolle spielt, funktioniert das auch, wie nun bewiesen ist. Ebenfalls ein großer Erfolg für das Furtenbach-Prinzip.

Er hier hat sich auch schon ganz episch am Everest verzockt. Aber wenigstens hat ihn das weltberühmt gemacht. Allerdings hat das Kind, mit dem seine Frau damals schwanger war, seinen Vater nie kennengelernt.

Und natürlich müssen die Leute auch am Berg sehen, wo der viele Zaster bleibt. Es gibt bei Furtenbach ZWEI statt wie sonst üblich einen Personalsherpa, welche die ganze Zeit ausschließlich einem einzigen Klienten dienen. Flaschen-Sauerstoff ist so reichlich vorhanden, dass der “Bergsteiger” die Flussrate theoretisch auf acht Liter pro Minute über die gesamte Besteigung erhöhen kann. Dazu gibt es die gleiche Menge noch einmal als Redundanz. Oh Mann, wieviele Flaschen da ins Basislager geschleppt werden müssen. Das soll aber gleich das Doppelte kosten wie üblich?

Einen Tag nach ihrem Gipfelgang sind die Helden des Everest wieder im Basislager. Ich zitiere: “Gesund und ohne jegliche Blessuren schauen die Teilnehmer eher aus, als würden sie gerade aus dem Büro als von einem Gipfelgang am Mount Everest kommen.” Echt? Das will ich von jetzt ab auch! 

Na, das sieht nicht nach einem Tag im Büro aus. Ich erinnere mich als wäre es gestern gewesen, wie ich mich bei diesem Selfie gefühlt habe.

In was für einer seltsamen Welt leben wir? Menschen wollen großartige Dinge tun, ohne in Kauf zu nehmen, das großartige Dinge nur durch besondere Leistung zu haben sind. Wenn das nämlich nicht mehr so ist, dann sind es keine großartigen Dinge mehr. Dann kann das jeder und diese großartigen Dinge sind ganz einfach nichts mehr wert. Ist doch ganz leicht zu verstehen.

Alles was den Everest ausmacht, alles was das Höhenbergsteigen zu einer Tätigkeit erhebt, die man nur durch bestimmte Eigenschaften tun kann: Härte, Willenskraft, Fleiß, Disziplin, Leidensfähigkeit, spielt bei Furtenbach keine Rolle mehr. Man richtet keine Lager ein, verlegt keine Seile, trägt seine Sachen nicht selbst, hat gleich zwei Sherpas dabei, die einen zur Not auch tragen, atmet soviel Flaschensauerstoff, dass man am Gipfel sogar einen Veitstanz aufführen kann.

Was bitte soll das für einen Sinn haben? Es ist lächerlich, ganz einfach. Es wird nicht erst in 10 Jahren so sein, dass kein Mensch mehr irgendein Respekt vor der “Leistung” hat, den Everest auf diese Weise zu besteigen. Also wirklich, da verdient jeder, der sich jahrelang vorbereitet und dann den Marathon über die volle Distanz durchsteht, wesentlich mehr Anerkennung. Das schaffen nicht alle! Aber auf den Everest kommt auf diese Weise tatsächlich jeder untrainierte Amateur, wenn er nicht blöderweise vom Eisschlag erwischt wird.

Besser kann man die Situation am Everest nicht veranschaulichen: Die Sherpas bauen den Klienten eine Treppe, damit sie unfallfrei vom Mess- oder Fernseh- oder Saunazelt auf die Toilette und wieder zurück kommen. Armer Everest, Du hast andere auf Dir verdient!

Herr Furtenbach hat sich Gedanken darüber gemacht, warum Leute fast 100000 Euro ausgeben, um auf dem höchsten Berg der Erde zu stehen, welcher nun leider endgültig zu einem Schatten seiner selbst degradiert wird. Es sei das Ego der Leute sagt er, welches sie das Portemonnaie zücken oder das sie vor Erschöpfung an einem großen Berg ganz ohne Sauerstoff und Sherpasupport verrecken lässt. Das mag häufig schon so sein. Allerdings kenne ich persönlich viele großartige Bergsteiger und Persönlichkeiten, bei denen das nicht so ist. Freude an der eigenen Leistung, ein hoher Anspruch an sich selbst, eine tiefe Leidenschaft für die Berge usw. sind sehr viel stärkere Triebkräfte als das Ego.

Aber ich glaube dennoch, dass genau hier der Hund begraben liegt. Wenn das Ego nicht mehr befriedigt werden kann, weil die Leute ausgelacht werden, welche in Furtenbachschem Stil den höchsten Punkt der Welt erreichen, dann werden sie sich etwas anderes suchen.

Die werden dann womöglich nicht mehr kommen und diese astronomischen Summen zahlen wollen. Und die anderen kommen ja jetzt schon nicht mehr. Und so wird Herr Furtenbach mit seiner Prognose tatsächlich Recht behalten…

Das Bild stammt nicht aus einem Lidl- oder Aldi Laden, sondern aus dem Everest-Basislager.

P.S. Herr Furtenbach wird jedwede Kritik mit Leichtigkeit aushalten, denn er weiß genau, was er tut und ist eigentlich nichts anderes als ein Genie: Durch den kurzen Aufenthalt im Basislager spart er sehr viel Geld, angefangen beim Abtransport der nicht anfallenden Scheiße und sonstigen Mülls, aber vor allem über die Löhne, die Verpflegung und die Versicherungen der Küchencrew, der Sherpas, des Verbindungsoffiziers und nicht zu letzt bei der Verköstigung der Klienten selbst. Damit spart er auch enorm bei den Kosten für den Transport. Er spart sogar bei der handling charge für seine Agentur vor Ort. Ich möchte gar nicht wissen, wieviel Geld pro Teilnehmer bei ihm hängen bleibt. Das muss ihm erst einmal einer nachmachen. Kosten sparen aber das Doppelte verlangen! Ein Genie eben! Jetzt wissen wir, warum ich diesen Blogbeitrag schrieb. Ich bin grün vor Neid!


Der lange Versuch-Ein Rückblick

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Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen und Jahresrückblicke sind gerade in Mode. Aber diejenigen, die diesen Blog lesen, würden sich bei einem Jahresrückblick vermutlich langweilen, weil sie ja alles im gerade verstreichenden Jahr hier schon einmal gelesen haben. Wer dennoch Lust darauf verspürt, der findet einen reich bebilderten Jahresrückblick in den Posts der vergangenen Tage bei mir auf der Facebookseite.

Dieter Rülker steht an erster Stelle einer gänzlich unvollständigen Auflistung meiner Partner auf den vielen Touren seit meiner ersten nach Tadschikistan 1989. Alle passen hier einfach nicht hin!! Aber fest steht, dass Dieter mich am meisten inspiriert hat. Mit ihm war ich 1999 am Cho Polu und 2006 an der Ama Dablam erfolgreich.

Außerdem wurde mein Rückblicksfocus gerade etwas weiter nach hinten verschoben, denn die Leipziger Volkszeitung bat zum Interview. Anlass ist die bemerkenswerte Tatsache, dass ich vor genau 20 Jahren meinen letzten Tag an der Tierklinik der UNI Leipzig hatte und seit dem als Nichtsnutz, Taugenichts und Tunichtgut mein Dasein friste, wie sich mal einer meiner potentiellen, mir offensichtlich nicht besonders wohlgesonnenen Schwiegerväter ausdrückte.

Mit Mario Zoll war ich 2004 auf einer der aufregendsten Reisen überhaupt. Zu Fuß und mit dem Kajak durchquerten wir Spitzbergen bis zum Nordkap. Und um ein Haar wäre Mario auf dieser Reise ertrunken. Noch heute bewundere ich seinen Mut und sein Durchhaltewillen nach diesem Unfall.

Unter anderem fand man bei der LVZ die Frage interessant, wie ein Mensch aus der Leipziger Tieflandsbucht, aufgewachsen als Kind von Flüchtlingen aus Ostpreußen in der Lutherstadt Wittenberg und gänzlich ohne “Berggene”, auf die Idee kommen konnte, Bergsteiger zu werden und auch noch allen Ernstes davon leben zu wollen. Eine verständliche Frage! Aber diese Idee hatte ich natürlich gar nicht.

Ich wollte ganz sicher nicht Bergsteiger werden und schon gar nicht davon leben. Schließlich war ich damals im Jahr 1998 Vierunddreißig. In einem Alter, im dem die Alpinisten-Vollprofis ihren Zenit langsam aber sicher zu überschreiten beginnen, wäre das auch völlig abwegig.

Alexander Graeber war mein Seilpartner auf einer der schönsten und erfolgreichsten Expeditionen im Himalaya. Mit ihm zusammen habe ich den Chukhung Tse, einen schwierigen Sechstausender in der Khumburegion über den Nordwestgrat erstbestiegen.

Aber es gab ein paar Träume, die noch aus einer Zeit stammten, da die Diktatur des Proletariats uns mit einem Eisernen Vorhang jegliche Hoffnung genommen hatte, jemals die Welt anschauen zu können. Ich konnte diese Träume nach der Wende nicht einfach so über den Haufen werfen, nur weil es viele um mich herum wesentlich naheliegender und klüger gefunden hätten, mit meiner privilegierten Ausbildung erst einmal Geld zu verdienen, um Häuser und Autos zu kaufen oder noch besser, mein am Horizont schon auftauchendes Alter abzusichern.

2009 setzte ich mir in den Kopf, das patagonische Inlandeis zu überqueren. Ich hatte aber keine Ahnung von Eiswüsten. Georg brachte mir alles nötige bei und begleitete mich auch auf der Reise. Diese Tour gehört bis heute zu den ganz herausragenden.

Wie hatten wir damit gehadert, eingesperrt zu sein! Und nun, da wir endlich raus konnten, wollte ich das auch unbedingt. Die Gelegenheit seinerzeit schien günstig, denn ich war unglücklich an der Uni. Doch meine Stelle sollte entfristet werden. Ich wusste, dass es niemand verstehen würde, wenn ich die Chance auf ein abgesichertes Leben an der Uni aus der Hand gäbe. Ich entschied mich trotzdem gegen eine akademische Karriere. Wäre die Entscheidung anders ausgefallen, schnitt ich vermutlich noch heute im anatomischen Präpariersaal formalinisierte Hunde auseinander.

Meinen erfolgreichsten Klettersommer bis heute verdanke Fabian Gutknecht-Stöhr. In Südfrankreich und der Sächsischen Schweiz bereiteten wir uns auf den Fitz Roy vor, den wir 2010 gemeinsam angingen. Leider sind wir nicht ganz oben angekommen. Dennoch war dieser Aufstieg am Fitz Roy meine aufregendste Felstour bis zum heutigen Tag.

Ich hatte in den acht Unijahren ein bisschen Geld gespart, das ich jetzt dafür ausgeben wollte, ein paar der ganz großen Berge zu besteigen und Kajak in Alaska zu fahren. Zwei Jahre gab ich mir dafür, höchstens drei. Nebenbei wollte ich versuchen, vielleicht mit Vorträgen ein bisschen Geld zu verdienen, um mein Aussteigerdasein womöglich noch ein wenig verlängern zu können. Dann wollte ich das wieder beenden, denn irgendwann ginge mir das Geld ganz sicher aus. Warum es dann anders kam und dieser Versuch gegenwärtig noch andauert? Das ist für mich bis heute eine Art Wunder. Und manchmal bereitet es mir immer noch schlaflose Nächte. Aber das ist ein anderes Thema.

Die Kombination aus Kajak- und Bergexpedition und natürlich der anvisierte Gipfel selber, macht die Tour zum unvergleichlichen Monte Sarmiento auf Feuerland mit Falk Liebstein zu einem der absoluten Höhepunkte meines ganzen Lebens.

Es kam anders, weil es immer mehr Leute gab, die in meine Vorträge kamen, die sich mir anvertrauten und sich von mir durch die Everest-Region, auf den Island- oder den Nirekha Peak führen ließen, die mit mir klettern gingen und meine Kalender und die Grußpostkarten meiner Expeditionen kauften. Weil es Menschen gab, die mich mit meinen Vorträgen für ihre Firmenveranstaltungen buchten, und weil es welche gibt, die mich und meine Projekte unterstützen, einfach nur, weil sie wollen, dass ich tun kann, was ich tun muss.

Jacob ist der Sohn eines befreundeten Ehepaares, welches mich zum ersten Mal überhaupt in die Berge mitgenommen hat. Da war er noch nicht einmal geboren. Heute ist er nicht nur mein Patenkind sondern im nächsten Jahr in Pakistan an Laila- und Hidden Peak nun schon zum dritten Mal mein Seilpartner.

Anders kam es auch, weil Menschen sich für meine Projekte begeistern ließen, oder die mich begeisterten. Die mit mir aufbrachen und mir buchstäblich bis ans Ende der Welt folgten. Die mit mir durch dick und dünn gingen und die mich ertragen haben, wenn es mir schlecht ging oder auch zu gut. Ohne diese Partner, die immer wieder mit mir loszogen, wäre ich nichts.

Sven hat etwas geschafft, was niemand vor ihm und hoffentlich auch niemand nach ihm schaffen wird. Durch seine große Verlässlichkeit, physische Stärke und Empathie hat er es geschafft, vom Nepal-Klienten zum Freund UND Expeditionsteilnehmer zu werden. (Zum Freund fürs Leben sind in Nepal schon einige geworden.) Und wenn alles so läuft, wie ich das gerne hätte, dann wird er es auch sein, der den ganzen Laden hier einmal weiterführen wird.

Bei all diesen Menschen, wegen denen es so ganz anders kam, als ich vor 20 Jahren selbst in meinen kühnsten Träumen dachte, ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, mich so sehr zu bedanken, wie man überhaupt kann.

Ich wünsche Euch allen da draußen ein friedvolles aber auch spannendes Neues Jahr mit aufregenden Erlebnissen möglichst in großartiger Natur.

Und mir wünsche ich, das Ihr mir so gewogen bleibt wie in den vergangenen 20 Jahren.

Herzlicher Gruß Euer Olaf Rieck

 

Die Bürste und der Klimaschutz

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Ich weiß nicht, ob es für ein Buch reichen würde. Aber es ist schon eine Menge an großartigen, skurrilen, rührenden und traurigen Erlebnissen zusammen gekommen im Laufe der vielen Jahre, die ich mit anderen Menschen in den Bergen verbracht habe. Gerade ist wieder etwas lustiges passiert.

Wir kamen vom Eisklettern und waren unterwegs in eine Kneipe in Matrei. Ich schaute im Auto auf dem Beifahrersitz in den Spiegel von der Sonnenblende auf meine von Mütze und Helm angeklatschten Haare. Toll würde ich aussehen dort in der Kneipe. Etwas gedankenverloren sagte ich so in die Runde, das ich jetzt eine Haarbürste bräuchte. Und zack drei Sekunden später reichte mir ein großer, starker Mann von hinten eine tiptop Haarbürste nach vorn. Keinen Kamm oder sowas. Er hatte eine Haarbürste im Rucksack! Beim Eisklettern! Ist das zu fassen? UND wenn eine Haarbürste den Weg in diesen Rucksack gefunden hatte, was um alles Welt war da noch drin?

Das sind die drei tapferen Recken am Ende ihres ersten echten Eisfalles. Und einer hat mich mit der Bürste beglückt 🙂

Diese Frage ist nicht unberechtigt, sind es doch nur noch wenige Tage, bis ich mit meinen Gästen im 21. Jahr nach Nepal aufbreche. Und ich weiß genau, dass sich bei ihnen in den vergangenen Tagen beim Packen vieles, wenn nicht gar alles um die Frage drehte: Was muss ich um jeden Preis mitnehmen, um die vier Wochen “Hardcore”-Trekking in Nepal auf jeden Fall zu überleben?

Eine Haarbürste jedenfalls nicht. Und auch sonst ist eher weniger mehr, denn wir dürfen nie vergessen, das Menschen womöglich unbenutztes, völlig überflüssiges Zeug über steinige Wege und verschneite Pässe schleppen müssen. Dies zu vermeiden, sollte für uns Ehrensache sein. Und nicht nur für uns, sondern auch für alle anderen, die in dem Land ohne Straßen unterwegs sind.

Ein Traumtag für uns bei der Überquerung des Renjo-Passes. Und da wir das Spuren im frisch gefallenen Schnee für unsere Träger übernahmen, war es auch für sie kein Alptraumtag.

Für mich waren die beiden ersten Monate des Jahres ausgefüllt wie selten. Vor allem der Februar. Zwei Wochen Vortragstournee durch Norddeutschland und anschließend nur mit einer kaum 48 stündigen Klamottenwaschpause 14 Tage Vorbereitungskurs auf den Nirekha Peak in Nepal. Und die Zeit bis zur Abreise nach Nepal reicht auch gerade zum Abarbeiten des Liegengebliebenen und zum Packen. Dies war auch der Grund für die lange Funkstille bei meinen Wortmeldungen an dieser Stelle.

Aber das hat nun ein Ende. Über unsere diesjährige Nepaltour wird es wie immer eine Menge zu erzählen geben. Es kann hier also wie gewohnt mindestens einmal wöchentlich ein schriftlicher Rapport über unsere Erlebnisse abgerufen werden. Gedacht ist das vor allem für die Angehörigen und Freunde meiner Gäste und selbstverständlich auch für die, die irgendwann ebenfalls gern einmal mit mir gemeinsam am Fuß des Mount Everest unterwegs sein möchten.

Wenn sich alle anderen in ihren Daunensäcken wälzen, geht bei mir nicht selten die Schreiberei los. Aber ich verliere die Hoffnung ja nie, dass womöglich auch mal der ein oder andere Gast ebenfalls in die Tasten hauen wird. Allerdings bei strengem Frost im Zelt und Eisfingern oft eben nur ein Wunschtraum.

Für alle Interessenten sei noch erwähnt, dass es solche Berichte ja schon aus den vergangenen Jahren gibt. HIER sind seit 2009 immer im Februar und März fast 100 Beiträge über unsere Touren in Nepal zu finden. Die Erlebnisberichte zu den von mir geführten Nepaltouren sind also nicht wirklich neu. 

Genauso wie die immer wieder vorgebrachten Beschwerden, dass viel, oft und weit Reisende wie ich, mit ihrer Passion das Klima belasten würden. Und das ist tatsächlich auch für mich zunehmend ein Problem, dem ich bislang nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet habe. Doch gerade jetzt nimmt die Sensibilität für dieses Thema auch bei mir deutlich zu. Die Folgen des Klimawandels sind zu schmerzhaft offensichtlich. Und so lassen einen folgende Zahlen dann nicht mehr kalt:

Dieses Bild stammt aus dem Jahr 2007 und zeigt meinen Freund Lakpa Gelbu Sherpa auf dem Weg zur Gipfeleiswand des 6189 m Island Peak. Er ist sicher nach wie vor der meistbestiegene Sechstausender der Welt. Allein ich stand 26 mal auf seinem Gipfel. Hier war die Welt an diesem Berg noch halbwegs in Ordnung.

Mein Flug nach Nepal und wieder zurück setzt 3721 kg CO₂ frei. In einem Jahr Autofahren mit einem Mittelklassewagen bei 12000 km Fahrleistung kommen 2000 kg zusammen. Ein klimaverträgliches Jahresbudget eines Menschen sollte 2600 kg nicht überschreiten, damit es auch klimaverträglich bleibt. Ein Inder hat eine durchschnittliche Jahresemission von 1600 kg CO₂. 

Aber es gibt Möglichkeiten, seinen CO₂-Ausstoß zu verringern. Auch mir war das bekannt. Doch woher weiß man, ob seine Kompensationszahlungen tatsächlich dort ankommen, wo ein echter Ausgleich für meine Klimasünden geschaffen wird?

Dieses Bild vom Island Peak stammt aus dem Jahr 2011 und ist genau am gleichen Standpunkt fotografiert wie das oben. Und es ist kaum zu glauben, das zwischen den beiden Fotos nur vier Jahre liegen. Fast die gesamte Eisauflage der Gipfelwand ist verschwunden. Deshalb war 2011 auch das letzte Jahr, in dem ich an diesem mir sehr wohlgesonnenen Berg unterwegs war. Der Island Peak ist in jeder Hinsicht ein Symbol für den starken Rückgang des Eises im Himalaya. Nirgendwo sonst auf der Welt ist dieser Rückgang so massiv und deshalb dermaßen augenscheinlich.

Und an dieser Stelle kommt einer meiner diesjährigen Gäste ins Spiel. Sie arbeitet als Expertin für Wiederaufforstung für das Bundesumweltministerium, ist in dieser Funktion in der ganzen Welt unterwegs und weiß aus naheliegenden Gründen diesbezüglich Bescheid. Sie kennt sogar die Leute persönlich, welche die Klimaschutzorganisation atmosfair betreiben, über welche man die Auswirkungen zum Beispiel seiner Flugreisen abmildern kann. Und als ich mich ausgestattet mit diesem Wissen mit den Projekten von atmosfair beschäftigt habe, fiel es mir ganz leicht, meinen Beitrag zu leisten.

Und meine Gäste und alle anderen können das auch tun und zwar in Zukunft mit der Gewissheit, dass man Geld kaum besser ausgeben kann als für solche Klimaschutzprojekte. Ach, und das Tüpfelchen auf dem i ist die Tatsache, dass das Prozedere auf der Homepage von atmosfair mit dem der Beitrag ausgerechnet und beglichen wird, so einfach und schnell zu machen ist, dass sogar ich, als jemand, der mit solchen Dingen immer auf Kriegsfuß steht, nicht die Spur eines Problems hatte. Das gibt einen dicken Pluspunkt! 

Dieses wegen seiner Perspektive sehr ungewöhnliche Bild der gesamten Südseite des Island Peaks habe ich während der Erstbesteigung des Chukhung Tse im Jahr 2008 aufgenommen. Es zeigt unter anderem auch den Imja Gletscher bzw. das was von ihm noch übrig ist. Dieser Gletscher ist der am stärksten schrumpfende Gletscher weltweit zumindest von denen, an welchen Messungen durchgeführt werden. Wegen dieses Rückganges ist dieser gewaltige See entstanden, der nach links in das Khumbutal durchzubrechen droht. Experten aus der ganzen Welt zerbrechen sich seit Jahren den Kopf darüber, wie man das verhindern könnte, denn der inzwischen viele Quadratkilometer große See wächst und wächst.

Der Countdown läuft also, die Bürste bleibt draußen, aber ich habe dennoch, wie übrigens in jedem Jahr das Gefühl, dass auch ich erstens zu viel mithabe und zweitens den ganzen Krempel nie und nimmer in meinen Rucksack bekomme. Es ist demnach alles wie immer, und das ist auch gut so. Manches ändert sich eben nie, anderes muss sich unbedingt ändern. Der Anfang ist mit atmosfair gemacht.

 

 

Holzberg-Update

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Meine Wortmeldung vom 3. Dezember 2018 zum Thema der drohenden Verfüllung des Holzberges trug den Titel “Gefahr im Verzug”. Die Resonanz auf diesen Artikel war erfreulich groß und sehr positiv. Deshalb nun im Nachgang mein persönlicher und möglichst sachlicher Versuch, den momentanen Stand der Dinge zu beschreiben, so wie ich ihn einschätze. Mehr als ein Vierteljahr und unzählige Mails, Telefonate, Veranstaltungen, Sitzungen und Zusammenkünfte nach “Gefahr im Verzug” ist diese Gefahr für den Holzberg, unseren vielleicht schönsten Kletterspot in ganz Mitteldeutschland, nicht etwa gebannt. Ganz im Gegenteil. So zumindest mein subjektives Empfinden. Und das, obwohl sich viele außerordentlich tatkräftige Leute mit aller Kraft für den Holzberg und sein wertvolles Biotop einsetzen.

Das sind die Fakten:

• Genau jetzt, wo ich das hier niederschreibe (Do, 14.03., 14.00 Uhr), wird die Petition der Böhlitzer Bürgerinitiative gegen die Verfüllung des Holzberges im Sächsischen Landtag an den Ministerpräsidenten übergeben. Diese wird zwar die Aufmerksamkeit wichtiger Leute auf das Thema lenken, kann aber wohl rechtlich rein gar nichts bewirken.

•Das lange erwartete naturschutzrechtliche Gutachten liegt der Unteren Naturschutzbehörde vor. Auf das hatte ich ja große Hoffnungen gesetzt. Ich war der Meinung, dass in unserem Land nichts unternommen werden kann, wenn ein derart wertvolles Biotop vernichtet werden müsste. Wie man mir allerdings von mehreren Seiten versicherte, irre ich mich da. Ich irre mich schon deswegen, weil dieses Biotop nur deshalb überhaupt entstanden ist, weil der ehemalige Eigentümer, die Basalt AG und auch der jetzige, die Firma Kafril, mittels einer Pumpe den Wasserstand im Steinbruch auf dem jetzigen Niveau gehalten hat. Ein schützenswertes Biotop muss nämlich dauerhaft bestandsfähig sein. Und das ist es zumindest gegenwärtig nicht. Da braucht Kafril nur die Pumpen abzustellen. Ähnlich gelagerte Fälle z. B. im Ruhrgebiet zeigen allerdings, dass dauerhafte Lösungen für eine künstliche Regulierung des Wasserhaushaltes für Biotope denkbar sind.

•Die Sektion Leipzig des DAV hat mit Kafril einen unbefristeten Nutzungsvertrag unterschrieben. Die IG Klettern und Naturfreunde Mittelsachsen hat wegen versicherungsrechtlicher Probleme den Vertrag noch nicht unterschrieben. Nach meiner Einschätzung wird das aber noch nachgeholt. Dann wären die Mitglieder sämtlicher DAV Sektionen und auch alle Mitglieder der Regionalverbände der IG Klettern zugangsberechtigt. Diese Vereinbarung ist seitens des jetzigen Eigentürmers jederzeit kündbar. Außerdem sind im Vertrag keine Regelungen zum Thema Teilverfüllung enthalten. Das von Kafril zugesagte dauerhafte Freibleiben der bekletterten Felswände ist also nicht schriftlich fixiert.

•Sicher am interessantesten für mich wäre eine Veranstaltung am 11.Februar diesen Jahres gewesen. Leider war ich zu der Zeit auf Vortragstournee in Norddeutschland. Aber mir liegt das ausführliche Protokoll dieses Treffens vor. Der Landrat des Landkreises Leipzig moderierte ein Gespräch mit der Böhlitzer Bürgerinitiative, dem Oberbergamt Freiberg, dem Umweltamt, sowie Vertretern der Kletterer vom DAV bzw. der IG Klettern. Wichtig wäre bei diesem Treffen gewesen, wenn auch Kafril mit am Tisch gesessen hätte, schon deswegen, weil deren Einladung ein außerordentlich positives Signal der Bürgerinitiative, Mitinitiator dieses Treffens, an die Entscheider in den Behörden gewesen wäre. Es hätte ein Zeichen sein können, dass man von Seiten der Bürgerinitiative gewillt ist, gemeinsam mit Kafril eine Lösung zu finden.  

Ich habe das Protokoll dieses Treffens aufmerksam gelesen. Es ist für meine Begriffe ziemlich lang und enthält eine Menge wichtiger und aufschlussreicher Details. Und nachdem ich dann unten angekommen war, wusste ich, dass die Gefahr für den Holzberg in seinem jetzigen Zustand größer denn je ist. Eigentlich war dieses Treffen eine Bestandsaufnahme und gleichzeitig ein Austausch der jeweiligen Standpunkte. Der Status Quo wurde erörtert, und der sieht nach meiner Lesart und in Kurzform so aus: Im Holzberg, da sind sich alle einig, ist ein Biotop entstanden. Laut Umweltamt ist es aber nicht gesetzlich geschützt. Die Firma Kafril als Eigentümer ist Inhaber eines Sonderbetriebsplanes. Dieser Sonderbetriebsplan ist nach wie vor rechtskräftig und sieht die Verfüllung des “Restloches” vor und zwar dergestalt, dass anschließend keinerlei Erfordernis für eine Nachsorge besteht. Falls das Biotop doch noch aus irgendwelchen Gründen geschützt werden muss, wonach es aber nach meinem Kenntnisstand überhaupt nicht aussieht, kann der Eigentümer einen Antrag auf Verlagerung dieses Biotops stellen und nachdem das erledigt ist, den Holzberg trotzdem zuschütten.

Ich hab da auch nichts falsch verstanden, wurde mir inzwischen in persönlichen Gesprächen versichert. Und wenn doch, dann bitte ich an dieser Stelle um eine Korrektur.

Nach allem was ich nun gehört und gelesen habe, ist meine persönliche Einschätzung, dass es nur eine Möglichkeit gibt, den Holzberg in seinem jetzigen Zustand zu erhalten: Es muss eine Alternative für den Eigentümer Kafril gefunden werden. Und Kafril muss dieser Ausweichmöglichkeit auch noch zustimmen. Dazu müsste unter anderem der Gesprächsfaden insbesondere zwischen der Bürgerinitiative und Kafril viel besser gesponnen werden als momentan. Und die Politik Hand in Hand mit den Behörden, zweifelsfrei die Hauptakteure in dieser Angelegenheit, müsste den unbedingten Willen aufbringen, dieses Problem zu lösen. Wenn das gelänge, dann gäbe es nur Gewinner. Wann geschieht solch ein kleines Wunder schon mal?

Die Bürgerinitiative hätte ihre Ziele erreicht und das Naturkleinod erhalten. Sie werden sich als Sieger fühlen können. Die Politiker und die Beamten würden etwas Großartiges für die Menschen und die Umwelt getan haben. Sie hätten dazu beigetragen, ein Biotop zu retten und seltene Tiere zu beschützen. Sie könnten sich das auf ihre Fahnen schreiben, und das kommt heute beim Wähler besser an als vieles andere. Zumindest bei denen, die überhaupt wählen gehen. Ach ja, die Kletterer dürften weiter in den Felswänden im Holzberg klettern und schauten nicht von oben auf Schutt und ein sterbendes Biotop. Auch wir zählten dann zu den Gewinnern, dies aber eher als Zuschauer denn als Akteure. Jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt.

Die einzigen, die ein Problem bei der ganzen Sache haben werden, sind die Kafriler, könnte man annehmen. Aber so müsste es gar nicht sein. Zum ersten, weil für mich und nicht nur für mich feststeht, dass die Firma mit dem Holzberg niemals glücklich würde. Es gäbe nur Scherereien. Diese schweben wie ein Damoklesschwert über den Verfüllungsabsichten am Holzberg. Wenn die Kafriler jedoch über ihren Schatten springen könnten und sich beteiligen würden an der Suche nach Alternativen, wenn sie mit der Bürgerinitiative auf Biegen und Brechen im Gespräch blieben, auch wenn es noch so schwerfällt, dann hätten sie unser aller Hochachtung am meisten verdient. Dann wäre die Firma Kafril für mich der eigentliche Sieger – ein für das (grüne) Image des Unternehmes unbezahlbarer Sieg in heutiger Zeit. Denn letztlich wäre es niemand anderes als sie gewesen, die auf ihrem Privatgelände ein kleines Naturparadies bewahren würde. Dafür müsste, wie gesagt, aber eine brauchbare Alternative für den Holzberg geschaffen werden.

Es muss doch bei gutem Willen aller möglich sein, in einer Zeit, wo Lebensräume für Pflanzen, Vögel, Insekten, Amphibien, Säuger in gigantischen Ausmaßen vernichtet werden, hier bei uns ein Zeichen dagegen zu setzen. Irgendwer muss man doch mal damit anfangen. Straßen, Häuser, Flugplätze, Einkaufsmärkte auch Deponien gibt es wahrlich genug. Lasst uns den Holzberg retten, er selber kann das nicht…

    Ich verabschiede mich jetzt erst einmal nach Nepal und will hoffen, bei meiner Rückkehr den Holzberg so vorzufinden, wie auf diesem Bild von Rudolf Wernicke. Passt mir auf ihn auf, denn wenn hier erst einmal begonnen wurde Tatsachen zu schaffen, buddelt den Holzberg niemand mehr aus!!

Die Magie der Berge

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Text und Bilder Detlef Weyrauch

Eigentlich hätte ich diesen Beitrag gar nicht schreiben können. Ich hatte die Chance gebucht, auf den Nirekha Peak steigen zu können. Mittlerweile sagen mir sowohl mein Gefühl als auch mein Verstand, dass ich von diesem ambitionierten Vorhaben die Finger lassen sollte. In Abstimmung mit Olaf schließe ich mich der Trekkinggruppe an, die vom sympatischen und erfahrenen Kumar geführt wird. In Dragnag trennen sich für neun Tage unsere Wege. Mit den besten Wünschen verabschieden wir sechs uns von den Bergaspiranten. Ein eisiger Wind weht den frischen Schnee über unseren Pfad, während uns die Yaks mit dem Camp- und Bergequipment für unsere Mitstereiter begegnen.

Es ist ein langer Weg am Steilhang durch eine weiß verzuckerte Berglandschaft. Tief im Tal rauscht der Dudh Khosi, der Milchfluss. Am Nachmittag erreichen wir das auf einer Sonnenterrasse mit fruchtbarem Boden liegende Dorf Phortse auf 3.840 m Höhe. Der Chef unserer Lodge Karma Rita Sherpa hat an 16 Everest-Expeditionen teilgenommen und stand neun mal auf dem Gipfel – was für eine Leistung.

Auf dem langen Weg von Dragnag hinunter nach Phortse begegnen uns wie so oft Yaks mit ihren Treibern. Neben den Trägern sind sie das Rückgrat der Gebirgslogistik.

Der nächste Tag beschert uns viel Sonne und eine landschaftlich wunderschöne Etappe. Nach kurzem Aufstieg begleitet uns die Ama Dablam, eine außergewöhnlich eindrucksvolle Berggestalt. In Pangboche machen wir Mittag mit der obligatorischen Rara-Nudelsuppe.

Hoch über uns leuchten die schneebedeckten Thamserku und Kang Tenga, eine märchenhafte Kulisse. Nach 7:45 Stunden ist das Tagesziel Dingboche auf 4.410 m Höhe erreicht. Beim Blick auf den Island Peak kommen viele Erinnerungen an meine erste Khumbu-Tour mit Olaf aus dem Jahr 2002 wieder hoch.

Wir biegen auf die Hauptroute zum Everest ein. Hier herrscht Hochbetrieb in beiden Richtungen in Form von Trekkern, Trägern und Yak-Karawanen. Ich muss unweigerlich an das Lied von AC-DC “Highway To Hell” denken. Manchen Bergsteiger und Helfer dürfte später noch die Hölle erwarten.

Die Mittagslodge in Dughla erinnert mich mit ihrer Musikbeschallung an eine Skihütte in den Alpen. In starkem Kontrast dazu steht ein bedrückender Platz, an dem viele Gedenksteine für am Everest verunglückte Bergsteiger stehen. In Lobuche, das vom gewaltigen 7.000er Nuptse überragt wird, erreichen wir unsere bisher größte Schlafhöhe mit 4.930 m.

Der 7.879 m hohe Nuptse strahlt in der Abendsonne von Lobuche aus.

Noch höher hinauf geht es zum höchst gelegenen Ort Nepals nach Gorak Shep auf 5.180 m. Am Nachmittag, nachdem sich wie meistens die Sonne verzogen hat, steigen wir bei kaltem Wind auf den Kala Patar (5.550 m). Wir haben Glück. Ab und zu setzt sich die Abendsonne durch und gibt den Blick frei auf den höchsten Berg der Erde sowie weitere Giganten – ein magisches Schauspiel.

Am nächsten Morgen machen wir uns neben vielen Trägern und Yaks auf zum Everest Basecamp. Derzeit wird es für den jährlichen großen Ansturm der Bergsteiger eingerichtet. Neben den Zelten türmen sich gewaltige Eispyramiden des Khumbu-Gletschers auf, die in der Sonne glitzern. Etwas entfernt beginnt der berüchtigte Eisbruch, durch den die Everest-Aspiranten hindurch müssen.

Überall wird gewerkelt und gewuselt. Allein das Einrichten dieses Basislagers ist eine logistische Meisterleistung der vielen einheimischen Helfer. Ich könnte Stunden hier verbringen, um das Flair aufzusaugen. Wir aber müssen heute noch zurück nach Lobuche.

Vom abendlichen Kala Pattar aus geben die Wolken kurz den Blick frei auf Mount Everest und Nuptse.

Die Morgensonne scheint wie so oft auf dicke Eisblumen an der Fensterscheibe. Wir haben eine relativ kurze Etappe nach Dingboche zu absolvieren. Am Nachmittag breche ich alleine auf, um den 5.083 m hohen Hausberg Nangkartshang zu besteigen. Ein heftiger Schneesturm lässt mich ca. 80 m unterhalb des Gipfels umkehren. Ich muss an unsere Gruppe am Nirekha denken und hoffe, dass heute nicht deren Gipfeltag ist. Später erfahre ich, dass es doch der entscheidende Tag war. Zurück im Dorf, bezeichnen mich zwei junge Nepali lachend als Snowman.

Am nächsten Tag geht es hinauf nach Chukhung, dem letzten auf 4.730 m Höhe gelegenen Ort im Imja-Tal. Vor 17 Jahren haben wir in einer kleinen, primitiven Hütte übernachtet. Jetzt steht hier eine neue, große Lodge mit vielen komfortablen Zimmern, sauberen Toiletten und riesigem, stilvoll eingerichtetem Aufenthaltsraum, desssen Ofen aber nicht in der Lage ist, ihn warm zu bekommen. Vom Fenster blicken wir direkt auf die verreiste Nordseite der Ama Dablam, die uns um ca. 2.100 m überragt.

Gruppenfoto auf dem 5.550 m hohen Kala Patar

Mein Handywecker treibt mich 05:30 Uhr aus dem warmen Schlafsack. Es ist verdammt kalt. Heutiges Ziel ist der 5.546 m hohe Chukhung Ri. Weil ich bei langsamem Gehen schwer auf Betriebstemperatur komme und meine Finger nicht warm werden, laufe ich vornweg.

Am Beginn der Felsen pfeift der Wind in kalten Böen. Anstatt auf die anderen zu warten, beginne ich allein mit der leichten Kletterei. Olaf würde sagen, man muss hier die Hände aus den Taschen nehmen. Ich verpasse dabei den richtigen Aufstiegsweg. Der Fels ist sehr brüchig mit vielen losen Platten. Ich bekomme Angst und steige auf einem steilen Geröllfeld ein Stück ab, um über ein Felsband schließlich den Normalaufstieg zu erreichen.

Oben sehe ich Kumar. Er macht mir berechtigterweise große Vorwürfe. Ich bitte um Entschuldigung, und wir steigen gemeinsam das letzte Stück zum Gipfel auf, wo Andrea und zwei Bernds auf den ziemlich geschafften Detlef warten. Die Aussicht auf die gewaltige Lhotse-Südwand, Nuptse, Makalu, die Spitze des Mount Everest sowie viele weitere Berggiganten ist unbeschreiblich.

Kloster Tengboche am Morgen.

Es geht abwärts in tiefere Gefilde. In Dingboche genießen wir im “Cafe 4410” einen Hauch von Luxus in der rauhen Bergwelt. Der weitere Weg beschert uns viele Staus durch Yaks, Träger und Trekker, fast wie auf deutschen Autobahnen.

Die Sonne verzieht sich und macht Wolken mit späterem Nebel Platz. Nach der Talquerung auf einer Hängebrücke schnaufen wir bergan durch Rhododendronwald nach Tengboche auf 3.870 m. Wir kommen in der Trekkers Lodge mit winzigen Zimmern, aber warmem Ofen unter.

Im bekanntesten buddhistischen Kloster des Khumbu nehmen wir neben vielen anderen Zuschauern am Nachmittagsgebet teil, das von nur drei Mönchen zelebriert wird. Auch hier scheint der Arbeitskräftemangel Einzug gehalten zu haben. Kumar bestätigt mir, dass das Interresse am Klosterleben stark nachgelassen hat. Nach dem Abendessen spielen wir wie immer eine Runde Uno.

Es geht zurück nach Namche Basar. Über Rhododendron- und Nadelwäder grüßen die schneebedeckten Berggestalten. Fast zeitgleich treffen wir mit der anderen Gruppe ein. Alle haben in einer dramatischen Aktion den Gipfel des Nirekha Peaks erreicht und sind gesund sowie durch die Strapazen gekennzeichnet. Ich bereue meine Entscheiung nicht.
Vor zehn Jahren habe ich ein Gedicht geschrieben, dessen Anfangsverse sehr gut auf meine Himalaya-Erlebnisse passen.

Ich steh’ im Tal und schau hinauf.
Mir gehen Herz und Auge auf.
Gigantisch, majestetisch, schön
seh’ ich ihn leuchtend vor mir steh’n.

Die Sonne schickt ihr erstes Licht
durch Morgennebel, der noch dicht,
hinauf auf hohe Bergesspitzen,
die leuchtend in der Sonne blitzen.

Eine unsichtbare Hand
greift nach mir, zerrt am Gewand.
Magisch zieht sie mich hinauf
auf des Berges Gipfel rauf.

Die unsichtbare Hand sowie die Hilfe insbesondere unserer Träger und unseres tollen Guides Kumar hat mich immerhin auf drei 5.000er Gipfel geführt. Ich bin sehr dankbar, dass ich auf meine alten Tage das alles nochmals gemeinsam mit Gleichgesinnten erleben darf.

 

Welche Sehnsucht?

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Drei Wochen ist es her, seit ich aus Nepal zurück bin. Seitdem rast die Zeit wieder. Aber diesmal mit besonderer Geschwindigkeit. Nicht nur, dass in diesen drei Wochen drei Kletterevents im Elbsandstein mal eben 9 von den 21 Tagen in Anspruch nahmen. Unter anderen das Kennenlernwochenende mit unseren Pakistangästen und ein sehr effektives, individuelles Kletter-Coaching mit Alex und Maciej.

Maciej, Alex und ich auf dem Gipfel der Wehlnadel in Rathen.

Nach vier Wochen in Nepal muss ich am Schreibtisch erst einmal rasch den Kopf wieder über Wasser bekommen und die vielen liegen gebliebenen, “superdringenden” Dinge erledigen. Außerdem hat just mit meiner Ankunft aus Nepal auch die heiße Phase der Vorbereitung auf unsere große Expedition nach Pakistan begonnen, mit dem schon erwähnten Kennenlernwochenende als Auftakt. Und gerade dieses wirklich wohltuende Wochenende, welches mir bestätigte, dass ich auf diesem großen und fordernden Unternehmen schon wieder Glück mit meinem Team haben werde, hat mich einmal mehr zum Nachdenken angeregt.

Mein Nirekha-Team, nicht zu vergessen Sven, der hier fotografiert, am Ziel ihrer Wünsche. Auf dem Gipfel des 6169 m hohen Nirekha mitten im Herzen der Everest-Region. Im Hintergrund Cho Aui, (li, 7350 m), Cho Oyu (Mitte, 8201 m) und rechts der höchste Siebentausender der Erde: Gyachung Kang (7952 m).

Soeben zurück von einer besonders anstrengenden Reise nach Nepal, voller Eindrücke und mit der nächsten großen Tour mit Gästen schon vor Augen, fragte ich mich, was die Menschen eigentlich antreibt. Welche Triebkräfte sind es, die meine Gäste dazu bringt, sich Strapazen auszusetzen, die sie bis an ihre Grenzen und manchmal auch darüber hinaus führen.

Das Pakistan-Begleittrekking-Team in den Affensteinen.

Manchmal scheint mir, als suchten die Menschen in den Bergen etwas, von dem sie meinen, es irgendwann vor langer Zeit verloren zu haben. Vermutlich werde ich nie dahinter kommen, um was es sich dabei genau handelt. Und höchstwahrscheinlich wird das für die verschiedenen Leute auch immer etwas anderes sein. Doch wurde ich mir in den Jahren immer sicherer, dass die Menschen, die mir folgen, irgendeiner rätselhaften, unstillbaren Sehnsucht hinterher laufen, die sich eben nicht so leicht in Worte fassen lässt. Ich selbst weiß das von mir am allerbesten. Welche Sehnsucht treibt mich an? Hinter der Antwort auf diese Frage jage ich ja schon seit 30 Jahren her.

Wir sind gerade aus der Häntzschelstiege ausgestiegen.

Was unser Pakistanprojekt anbelangt, gibt es viele gute Nachrichten und eine ganz schlechte. Die beste von den guten Nachrichten ist, dass sich die Sicherheitslage nach unseren Informationen deutlich verbessert hat. Indien und Pakistan haben aufgehört, zu schießen und sich gegenseitig zu drohen.

Seit dem 11. April läuft in Indien die größte je auf der Welt durchgeführte Wahl, die sich über mehrere Wochen hinziehen wird. Am 23. Mai soll sie beendet sein. 900 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Premierminister Modi hat gute Chancen auf eine zweite Amtszeit. Deshalb ist nun wieder Ruhe eingekehrt, denn man konnte jetzt zur Realpolitik zurückkehren. Pakistan hat sogar begonnen, etwas für den Tourismus zu tun. Die Einreiseformalitäten wurden in den vergangenen Wochen deutlich entbürokratisiert. Leider kamen wir noch nicht in den Genuss dieser Erleichterungen.

Sven meistert die “Schlüsselstelle” in der Häntzschelstiege. Schwindelfrei sollte man hier allerdings schon sein.

Die nächste gute Nachricht ist, dass uns neun Gäste begleiten. Ausgebucht sozusagen. Ich gebe es zu. Ich hatte gedacht, dass wir Schwierigkeiten haben werden, Leute für Pakistan und diese Tour zu begeistern. Aber ganz falsch gedacht. Und wenn man mal ehrlich ist, dann müssen wir alle akzeptieren, dass wir inzwischen in einer Zeit leben, wo einem auch in Norwegen, Neuseeland, Sri Lanka oder selbst in Berlin auf dem Weihnachtsmarkt von fanatischen Irren das Licht ausgeblasen werden kann. Das ist die gar nicht schöne neue Welt in der wir in Zukunft leben werden.

Laureen macht das Herumklettern in den Sächsischen Stiegen offensichtlich einen Heidenspaß.

Es hat sich da eine großartige Gruppe zusammengefunden, die viel Spaß miteinander haben wird. Gleich fünf unserer Gäste sind erfahrene Nepaltrekker. Stephan und Janina werden das vierte Mal mit mir unterwegs sein, Wolfgang das dritte, Holger, Simona und Katrin das zweite Mal. Eine solch erfahrene Gruppe hat mich überhaupt noch nie begleitet.

Die beiden besonderen Turmschönheiten im Bielatal: Die Große (vorn) und Kleine (hinten) Herkulessäule. Auf der Kleinen Säule sind gerade Wolfgang, Laureen und Jacob angekommen.

Doch die eine schlechte Nachricht wiegt besonders schwer. Urs, einer von uns vier Expeditionsteilnehmern, musste aus gesundheitlichen Gründen die Reise absagen. Und wer Urs und den Stand der Vorbereitungen kennt, der weiß, wie schlecht diese Nachricht wirklich ist. Wir jedenfalls drücken sehr die Daumen, dass alles wieder in Ordnung kommt und zwar so, als wäre nie etwas gewesen! Auf der Grußpostkarte wirst Du drauf bleiben, wir werden sie nicht neu drucken lassen, obwohl noch Zeit wäre. Denn in Gedanken wirst Du bei uns sein.

Urs 2013 auf dem Gipfel des Nirekha.

Wir anderen drei beschäftigen uns gerade mit dem Mühen der Ebene, die bei einer solch großen Unternehmung ganz schön weitläufig und steinig sein kann. Ich beschäftige mich derzeit mit Expeditionsmedizin und der Medikamentenbesorgung. Wir brauchen eine gute Apotheke. Essenlisten kursieren und werden diskutiert, ebenso Ausrüstungslisten. Man könnte denken, dass diesbezüglich alles schon mal da gewesen ist. Aber das stimmt nicht. Jede Expedition ist anders. Und dann kommt irgendwann auch das große Packen an die Reihe. Es wird an dieser Stelle schon noch das ein oder andere zu berichten geben, bevor es dann in nur noch wenigen Wochen losgeht.

Ganz zum Schluss wollte ich noch einmal an unsere Grußpostkartenaktion erinnern und mich bei den vielen Unterstützern, die bislang schon eine solche Karte bestellt haben, bedanken. Ohne Ihre Unterstützung können wir es nicht schaffen, unsere Expedition zu finanzieren. Und leider ist sie das auch noch nicht. Deshalb möchten wir alle herzlich bitten, uns mit dem Kauf dieser Grußpostkarte zu helfen. Wenn Sie 7,- € oder gern auch mehr auf unser Expeditionskonto einzahlen, erhalten Sie die von den Expeditionsteilnehmern handsignierte Karte aus dem Basislager des Hidden Peak zugesandt.

Sparkasse Leipzig, Empfänger: Dr. Olaf Rieck

IBAN: DE27 8605 5592 1800 8330 47
BIC: WELADE8LXXX

Verwendungszweck: Ihren Namen und Ihre Adresse (Das ist besonders wichtig, weil wir sonst nicht wissen können, wohin die Karte geschickt werden soll)

Wenn Sie möchten, dass wir die Karte an Freunde oder Verwandte senden, dann muss deren Adresse unter Verwendungszweck erscheinen.

Vielen Dank für Ihre Hilfe!

Holzberg: Das Gutachten

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Da hat niemand anderes als das renomierte Zentrum für Luft und Raumfahrt ermittelt, wieviele Insekten eigentlich durch Windräder vernichtet werden. Und es war so erschrocken über die Reaktion auf das Ergebnis, dass es sich dazu am liebsten gar nicht mehr äußern möchte. Etwas gegen Windräder zu sagen, macht einem hierzulande keine Freunde. 

Die monokulturelle Landwirtschaft bzw. die chemische Industrie sind schuld am Insektensterben, welche die giftigen Pflanzenschutzmittel einsetzt bzw. herstellt. Aber jetzt auch die so umweltfreundlichen Windräder? Bei Licht betrachtet ist deren Wirkung auf die Insektenpopulation aber höchstens von marginaler Bedeutung und deshalb nicht der Rede wert: 1200 t gegenüber 450000 t, welche die gefräßigen Vögel allein in unseren Wäldern vertilgen. (Quelle: DLR und Nyffeler et al., 2018). Aber die Zahl der Insekten ist in den letzten 27 Jahren dramatisch zurückgegangen. Laut der berühmten Krefelder Studie um 76%. Und daran sind weder die Windräder noch die Vögel schuld.

Ein ganz aktuelles Bild vom Holzberg aufgenommen am vergangenen Freitag. Am eindrucksvollsten für mich war das, was man auf diesem Bild nicht sieht: Die Geräuschkulisse der sich im Biotop tummelnden Tiere, sowie die ständig einfliegenden Störche, Reiher, Milane und Bussarde.

Als im Winter 2002/2003 dreißig Prozent !! der Bienenvölker auf einen Schlag in Deutschland starben, konnte man sich keinen Reim darauf machen. Vor allem, weil es bei den Imkern so unterschiedlich schlimm war. Manche verloren nur wenige andere fast alle ihre Völker. Deshalb rief man das DeBiMo-Projekt ins Leben. DeBiMo nie gehört? Das Deutsche Bienen Monitoring Projekt. Und was stellten die Experten neben vielem anderen fest? Man konnte “keine direkt bienentoxischen Konzentrationen von Pflanzenschutzmitteln in den Pollen nachweisen, jedoch gebe der Nachweis des Cocktails an Pflanzenschutzmittelrückständen in Pollen Anlass, die kombinatorische sowie chronische Wirkung der Substanzen auf Bienenvölker zu untersuchen. Hierzu seien gezielte Experimente notwendig.” Nichts genaues weiß man also nicht. Massive Kritik an diesen Untersuchungen folgte auf dem Fuße.

Graphik Süddeutsche Zeitung, Quelle: IUCN (International Union for Conservation of Nature)

Es ist also nicht allein nicht der Cocktail an Pflanzenschutzmitteln, es ist der Mix aus einer ganzen Reihe von Ursachen. Übrigens gehören auch unsere Mobilfunknetze zu diesen Ursachen, wie ich gerade lernte. Der Einfluss von Chemikalien in der Landwirtschaft, so ungern ich das auch zur Kenntnis nehme, ist gar nicht so groß wie ich immer glaubte. Denn dagegen könnte man ja doch relativ leicht etwas tun!

Es gibt eine viel größere Gefahr für die Bienen und nicht nur für die sondern für unzählige andere Arten auch. Eine Million Arten sind weltweit akut gefährdet, um es mit der Zahl des IPBES, des Weltbiodiversitätsrates zu sagen. Der Bericht dieses Gremiums von 150 Experten aus 50 Ländern lässt keinen Zweifel daran, dass sich auf der Erde gerade ein gigantisches Artensterben ereignet, “vergleichbar mit dem Tod der Dinosaurier vor etwa 65 Millionen Jahren”. Und der Schuldige ist auch ganz klar ausgemacht. Es ist nicht DIE chemische Industrie mit ihren Pestiziden, nicht DIE Bauern oder DIE Autobauer. Auch nicht DIE Politiker. Der gnadenlose Raubbau an Lebensraum für unsere Mitbewohner ist vor allem anderen die Ursache der Katastrophe. Also sind WIR alle schuld. Wir, die wir den Fortschritt als das begreifen, was er zumindest für uns Menschen ist: Außerordentlich komfortabel. Wachstum ist die Devise! Nur wollen wir das weder hören, geschweige denn zugeben.

Im Tierreich geht es dem IPBES-Bericht zufolge den Amphibien, also etwa den Kröten, Fröschen und Molchen, am schlechtesten. Und damit sind wir beim Thema.

Mario in “Viva España” mit dem Blick auf den Zufahrtsweg in den Holzberg Richtung Südosten.

Hier gleich neben meiner Heimatstadt hat sich die Natur in einem Steinbruch ein Stückchen Lebensraum zurück erkämpft. Kaum zu glauben, wie schnell und wie gründlich sie das gemacht hat. Und weil wir Deutschen eben auch gründlich sind, gab es für meine Begriffe außerordentlich sorgfältig erhobene Untersuchungen zum Stand der Dinge im Holzberg. Ein Gutachten, übrigens eine Auflage an den jetzigen Eigentümer des Holzberges, die Firma Kafril, wurde erstellt, welches endlich fast ein halbes Jahr nach seiner Fertigstellung allen Beteiligten und Interessierten vorliegt. Das wurde aber nicht erarbeitet, weil man sich an der Entwicklung des Biotiops erfreut hat und wissen wollte, wie die Natur, wie die vielen Tierarten das gemacht haben, sich diesen Lebensraum zurückzuerobern und wer da jetzt alles wieder lebt. Der Grund für dieses Gutachten ist die Tatsache, dass dieses wunderschöne, neuentstandene Biotop zugeschüttet werden soll.

Als regelmäßiger Besucher des Holzberges wussten wir natürlich auch ohne Gutachten, was da unter uns entstanden war. Wir besitzen schließlich Augen und Ohren. Doch nun haben wir die Bestätigung schwarz auf weiß. Der Holzberg ist ein kleines Paradies geworden. Ich zitiere Auszüge aus dem Fazit des Gutachtens:

“Der Steinbruch Holzberg bietet mit seiner Strukturvielfalt und seinem vielfältigen Mosaik unterschiedlichster Biotope auf kleinem Raum für viele Artengruppen einen Hotspot in der Region. Im Rahmen der Sonderuntersuchungen wurden 10 Fledermausarten, 5 Amphibien- und 5 Reptilienarten, 47 Vogelarten und 21 Tagfalterarten nachgewiesen.

Für die Artengruppe der Fledermäuse ist der Standort vor allem als wichtiges Jagdhabitat sowie als Schwärm- und Quartierstandort hervorzuheben. Auch das wahrscheinliche Vorkommen des sachsen- als auch bundesweit stark gefährdeten Grauen Langohres weist dem Standort eine besondere Bedeutung zu. Aus diesen Gründen ist der Steinbruch von überregionaler Bedeutung für Fledermäuse zu werten.

Bezüglich der Avifauna (Gesamtheit der in der Region vorkommenden Vogelarten, Anm. von mir) bietet der Steinbruch nicht nur für durchziehende Wasservögel gute Rastplatzbedingungen und für Greife und Eulen Jagdmöglichkeiten. Auf Grund seiner in der weiteren Umgebung einzigartigen, kleinräumig mosaikartigen Habitatstruktur aus Röhrichtzonen und Wasserflächen besitzt er insbesondere für röhrichtgebundene Arten eine wesentliche Bedeutung als Bruthabitat.

Neben zwei weiteren streng geschützten Reptilienarten, stellt insbesondere das Vorkommen der in Sachsen stark gefährdeten Schlingnatter einen wichtigen Trittstein der Verbreitung dieser Art in der agrargeprägten Landschaft um Böhlitz dar.

Hinsichtlich der Amphibien ist besonders das individuenstarke Vorkommen der Knoblauchkröte hervorzuheben.”

Und dann noch ganz besonders interessant! Wir Kletterer werden auch erwähnt: 

“Zwar gibt es im Gebiet z. T. Vorbelastungen hinsichtlich akustischer und optischer Störwirkungen durch Freizeitnutzung (Klettersport), insbesondere an der südexponierten Wand, jedoch handelt es sich hierbei nicht um kontinuierliche Beeinträchtigungen, so dass nicht von einem Gewöhnungseffekt ausgegangen werden kann.” Und schließlich sogar noch die Absolution für uns Kletterer: 

“Der ehemalige Steinbruch kann insgesamt als ein relativ ungestörter Lebensraum angesehen werden.”

Nun auch das wussten wir schon, denn schließlich hat sich dieses Biotop sozusagen unter uns und auch trotz uns entwickelt. Dennoch sollte jeder einzelne von uns alles dafür tun, dass die Naturschützer auch weiterhin diese Einschätzung über das Verhalten von uns Kletterern treffen können!

Vom Ausstieg der “Bridges to Nowhere” schaut man auf den zentralen Teil des Flachwasserbiotops im Holzberg.

Viel weniger angenehm ist die Lektüre einer Tabelle, in welcher mit schmerzhafter Deutlichkeit aufgeführt wird, was der “Wirkfaktor“, soll heißen die “Beseitigung der Biotopstrukturen durch Verfüllung bis auf ein Niveau von +188 bzw. 159 m NN”, anrichten wird. Es bleibt nichts, aber auch gar nichts von der Flora und Fauna des Holzberges übrig. So viel steht jedenfalls fest. Und fest steht auch, dass wir Kletterer keinen Spaß mehr daran haben werden, dort zu klettern, selbst wenn man uns die Wand  offen lassen würde. Kein normaler Mensch will zusehen, wie man wieder und dann noch vor seinen Augen ein Stück Natur für immer und unwiederbringlich zerstört.

So, und damit sind wir wieder beim quälerischen Thema Schuld. Wir wären schuld, dass noch mehr Individuen seltener Arten verschwinden, falls wir das “Überprägen” des Holzberges zuließen. Kein noch so irreführendes Wort sollte uns davon ablenken, dass dies nichts anderes als eine Tragödie wäre.

Vielleicht ist es nun an der Zeit, dass auch wir Kletterer aktiver werden. Und wir sollten dabei eben nicht ans Klettern denken, nicht an unseren Spaß beim Konsumieren sonnenbeschienener Felswände. Wir sollten daran denken, dass WIR die Natur zum Leben brauchen und nicht sie uns. Sind Lebensräume zerstört, dann sind uns die Frösche, die Fledermäuse, die Störche, die Milane, die Reiher, die Eidechsen, die Schmetterlinge, die Schlangen und auch die Bienen nicht etwa böse. Sie sind einfach nur weg. Und wir müssen dann ohne sie auskommen. Was für eine deprimierende Vorstellung.

Wie meinten doch die alten Indianer? Geld kann man nicht essen.

Concordia Kino – Ein Resümee

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Die Trekkinggruppe der Pakistanreise schaut zurück…

Während unsere drei Bergsteiger nun zum Gipfel aufbrechen, sind wir, die Trekkinggruppe seit 14 Tagen wieder zurück in der Zivilisation. Wir alle wurden vor unserer großen Reise, in Verbindung mit der Frage: “Was, du fährst nach Pakistan, ist das nicht gefährlich?” oftmals mit großen Augen angeschaut. Gefährlich? Unsichere Lage? Was wir dann in Pakistan erlebt haben, war jedoch das ganze Gegenteil. 

“Welcome to Pakistan” – diesen freundlichen Ausspruch bekamen wir des Öfteren zu hören, während wir über einen Markt in Islamabad schlenderten. Fröhliche Gesichter schauten uns neugierig an und forderten uns auf, doch mal ein Foto von ihnen zu machen. 

Auch während unserer abenteuerlichen Jeepfahrt, die mit einigen Hindernissen verbunden war, sprühte es von allen Seiten gute Laune und gegenseitige Hilfsbereitschaft. Stecken gebliebene Jeeps wurden gemeinsam aus den schlammigen Pfützen befördert, damit wir unsere Fahrt fortsetzen konnten. Auch durften wir nach einigen Gesprächen über ein privates Feld fahren und es wurde einheimische Musik gehört. Unser Jeepfahrer war zudem auch nur ein einziges Mal während der 8-stündigen Fahrt der Meinung: “This is a dangerous part!”. 

Unsere hoch professionellen Jeepfahrer, die uns heil von Skardu durch das Shigar-Tal nach Askoli gebracht haben. (Foto: Janina Graeber)

Während des gesamten Aufstieges hatten wir fantastisches Wetter. Unsere Küchencrew hat uns die ganze Zeit perfekt umsorgt und uns jeden Wunsch von den Lippen abgelesen. Zum Mittagessen wurde fein säuberlich das gesamte Geschirr auf einer Decke ausgebreitet und neben der Suppe gab es dann auch noch Nudeln, Obst und Kekse. Als es in den höheren Regionen deutlich kälter wurde, fragte unser Koch jeden Abend, ob noch jemand eine Wärmflasche braucht. Wenn einer von uns während des Trekkings mal etwas geschwächt war, haben sich Guide und Träger sehr fürsorglich um uns gekümmert. Man hätte fast meinen können, wir hätten einen Wellness-Urlaub gebucht.

Zeit fürs Mittagessen zwischen Bergen, Bäumen und direkt am Wasser. Besser gehts nicht. (Foto: Janina Graeber)

Doch unser Pakistan-Abenteuer wäre kein Abenteuer gewesen, wenn alles absolut reibungslos geklappt hätte. Eines der wichtigsten Themen auf dem Anmarsch, war die Frage, ob denn unsere Passüberschreitung über den etwa 5700 m hohen Gondogoro Pass gelingen würde? Was machen wir, wenn einer von uns krank oder zu geschwächt sein würde? Haben wir ausreichend Ruhetage? Kommen wir überhaupt über den Pass oder liegt gar zu viel Schnee? Würden die Träger über den Pass kommen, wenn die Verhältnisse schlecht sind? Welche Alternativen gibt es? 

Um so höher wir kamen, um so mehr Leute trafen wir, die von unglaublichen Schneemassen berichteten. Wir konnten es nicht glauben, da um uns herum zu diesem Zeitpunkt kein einziger Krümel Schnee lag und der Ort, wo die Schneemassen liegen sollten, kaum 500 m höher war.

All die Gedanken und möglichen Pläne die wir uns gemacht hatten, waren dann jedoch plötzlich unwichtig – die Natur hatte entschieden: Der Gondogoro Pass konnte zu dieser Zeit nicht überschritten werden, da zu viel Schnee lag, als dass die Träger mit dem schweren Gepäck diese Etappe hätten meistern können. Zu dem waren die Fixseile im Abstiegsbereich des Passes mit Schnee und Eis bedeckt. 

Wir saßen alle in der ersten Reihe im “Concordia Kino” und der Freilichtfilm hieß: K2. (Foto: Darren Krockhaus)

In diesen Momenten begreift man, wie wenig man doch selbst ausrichten kann in einer solchen Umgebung. Individuelle Befindlichkeiten spielen dann keine Rolle mehr. Alle müssen sich der Natur beugen. Um so mehr wird einem deutlich, wie viel Einfluss wir auf unser eigenes Leben in der Ebene haben und unser Glück an vielen Stellen gestalten können. Genau an diesen Punkten sollten wir unsere Energie investieren und uns nicht über irgendwelche “Schneeflocken” aufregen, an denen wir sowieso nichts ändern können. 

Die gesamte Crew am vorletzten Tag unserer Trekkingreise mit allen Trägern, der Küchenmannschaft, dem Guide und den Trekkinggästen. (Foto: Darren Krockhaus)

Wir, die Trekkinggruppe, hatten sehr viel Spaß, haben ein wunderschönes Land mit sehr offenen, hilfsbereiten und fröhlichen Menschen kennengelernt und durften ein einzigartiges und unvergessliches Abenteuer erleben. Vielen Dank für die tolle Unterstützung durch unsere pakistanischen Hunza Guides und unsere 3 Bergsteiger Olaf, Sven und Jacob. 

Katrin, Holger, Simona, Wolfgang, Stephan, Laureen, Darren und Janina


Holzberg Update – Feuer frei!

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Das brasilianische Institut für Satellitenforschung (INPE) ist unter anderem damit beauftragt, Waldbrände im Amazonasbecken zu beobachten. Seit Beginn des Jahres wurden 72000 Brände registriert. Derzeit lodern so viele Feuer wie niemals zuvor. Große Teile des südlichen Amazonasbeckens brennen. Eine Katastrophe, die unseren ganzen Planeten betrifft. Gelegt wurden diese Feuer von Menschen.

Anfang August haben Fazendeiros (portugiesisch: Farmer) den Tag des Feuers ausgerufen. Einer ihrer Sprecher betonte, dass sich die Aktion direkt an den brasilianischen Präsidenten richtete. “Er soll wissen, dass wir bereit sind, zu arbeiten”, so der Viehzüchter. Seit dem registrierte die INPE einen sprunghaften Anstieg von Bränden in der Region. Der neue Präsident Brasiliens steht auf der Seite der Agrarindustrie und diese weiß das. Kein Brandstifter muss also um seine Freiheit fürchten.

Seit Amtsantritt Bolsonaros hat auch die Abholzung sprunghaft zugenommen. Im letzten Jahr um 278 Prozent! Auch das eine Zahl die von dem brasilianischen Institut für Satellitenforschung stammt. Präsident Bolsonaro bezeichnete die Veröffentlichungen der Behörde als Lüge, und ihr Leiter, Ricardo Galvão, wurde entlassen.

Wenn ich sowas wie das hier lese, wie gerade in der Süddeutschen Zeitung, dann fällt es mir wirklich schwer, nicht jede Hoffnung zu verlieren. Aber Brasilien ist ein Land mit riesigen Problemen und einem riesigen Wald. Die Leute wollen erst mit dem Holz Geld machen und dann ihre Rinder weiden. Wir hier sollten uns hier mit unserer Empörung zurückhalten. Mitteleuropa war auch mal ein riesiges Waldgebiet. Aber das wurde schon vor Jahrhunderten gerodet, es muss sich also keiner mehr dafür rechtfertigen.

Viel mutloser macht mich, dass wir hier bei uns in einem Land ohne die Probleme Brasiliens und mit so ungeheuer viel weniger Naturräumen nicht klüger sind. Wir haben immer noch nicht begriffen, dass die Natur sehr gut ohne uns auskommt, wir aber nicht ohne sie. Für mich ist dafür unser Holzberg ein Paradebeispiel. Wir haben es immer noch nicht geschafft, selbst ein nachgewiesenermaßen hochgradig wertvolles Biotop wie den Holzberg und die vielen Arten, die sich dort angesiedelt haben, zu schützen und die Verfüllungspläne durch den Eigentümer, die Firma Kafril, abzuwenden. Über die faunistischen Untersuchungen im Holzberg und das daraus resultierende Gutachten siehe meinen Beitrag: “Holzberg: das Gutachten“.

Am 27. November 2018 sprach der Chef von Kafril höchstpersönlich auf einer Infoveranstaltung in Böhlitz und in meiner Anwesenheit von einer Verfüllungshöhe von 35 m. Diese Grafik ist also keineswegs übertrieben.

Ich bin aus Pakistan zurück und, nachdem ich die vielen Mails zum Thema Holzberg in meinem überfüllten Postfach gelesen habe, sehr deprimiert. Seitdem ich Anfang Juni aufgebrochen bin, hat sich nichts aber auch gar nichts in Sachen Holzberg getan. Im Gegenteil! Die Leipziger Sektion des Deutschen Alpenvereins, der sich ja weit oben auf seine Fahnen den Naturschutz geschrieben hat, steht nach wie vor ganz offen auf Seiten des Eigentümers und seiner Verfüllungspläne.

Das Bergfilmfestival am Gaudlitzberg lässt sich sogar von Kafril sponsern. Die Untere Naturschutzbehörde spielt eine Rolle, die ganz sicher nicht dem Namen entspricht, die sie trägt. Es wurden von Abgeordneten Anfragen im Landtag gestellt und beantwortet, der Ministerpräsident schlägt einen Mediator vor. Aber das sind alles nur Worte. Einzige Ausnahme ist, dass nun wenigstens die Pumpen abgestellt worden sind und das Flachwasserbiotop nicht noch weiter austrocknet.

Trotzdem gibt es Hoffnung. Immer mehr Leute wollen sich nicht mehr damit abfinden, dass man ja als Einzelner schließlich nichts machen kann. Die nicht mehr die Augen verschließen und abwarten, was die anderen tun. Die tätig werden wollen.

Noch vor meiner Abreise haben sich einige von ihnen zusammengetan und die “Holzbergfreunde” gegründet, eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten, die alle das eine Ziel haben: Den Holzberg in seinem jetzigen Zustand zu erhalten, koste es was es wolle. Und damit ist gemeint, dass wir notfalls auch auf das Klettern verzichten, wenn es denn sein muss. Schließlich ist der Holzberg Privatgelände der Firma Kafril.

Obwohl wir alle leidenschaftliche Kletterer sind und wissen, was wir an den herrlichen Wänden im Holzberg haben, bringen wir es einfach nicht übers Herz, Kompromissen zu zustimmen. Uns ist das über fast zwei Jahrzehnte entstandene Feuchtbiotop genauso wichtig wie unser Kletterspaß. 

Klettern mit einem Freund oder einer Freundin, schönes Wetter und zum Abschluss ein kühles Bier ist so ungefähr das Größte. Mehr brauche ich nicht zum Glücklichsein. Und gerade das geht am Holzberg ganz besonders gut!

Niemand, der ein Herz hat, und der die Zeichen der Zeit verstanden hat, wird guten Gewissens weiter am Holzberg klettern wollen, wenn unter ihm Dutzende streng geschützter Arten unter Bauschutt verschwinden. Für uns, die wir in den letzten Jahren mit wachsender Freude den Holzberg konsumierten, die Wände, das Ambiente und die sich am entstehenden Biotop erfreut haben, wird es nun endgültig Zeit, zu handeln.

Wenn Du uns dabei helfen möchtest, dann geht das am besten, indem du öffentlich unser Unterstützer wirst (dazu eine kurze Email an uns), Deine Meinung zur Verfüllung des Holzberges öffentlich äußerst (z.B. auf unserer Facebook-Seite) und in Deinem Freundes- und Bekanntenkreis für unser Anliegen wirbst.

Feuer frei!

 

Zeichen noch ohne Wunder

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Meiner Freude über das, was wir als “Holzbergfreunde” gemeinsam mit der Böhlitzer Bürgerinitiative auf dem Bergfilmfestival am 31. August erreicht haben, kann ich an dieser Stelle leider erst jetzt Ausdruck verleihen. Doch der Grund dafür ist äußerst positiv. Ich durfte im perfekten Bergeller Granit eine Woche lang ein wenig von meinem in Pakistan aufgehäuften Rückstand im Klettern aufholen. Aber jetzt bin ich wieder im Lande und kann mich auch an dieser Stelle freuen.

Wer auf die Bühne und die Leinwand sehen wollte, konnte an unserem Plakat nicht vorbei schauen.

Die Holzbergfreunde wollten vor allem eines auf diesem Bergfilmfestival erreichen: So viele Leute wie möglich auf die Gefahr für den Holzberg aufmerksam machen, sensibilisieren und sie motivieren, womöglich ebenfalls an der Rettung des Holzberges mitzuwirken. Denn es ist eine bemerkenswerte Tatsache, dass viele selbst von denen, die regelmäßig im Quarzporphyr der Hohburger Berge unterwegs sind, noch nichts über die Gefahr wissen, die dem Biotop droht, welches dort unter den herrlichen Wänden des Holzberges entstanden ist.

Besonders deutlich wurde mir das noch einmal bei den zahlreichen Gesprächen an diesem Abend am Gaudlitzberg. Ganz viele Besucher des Festivals hatten einfach noch nichts davon gehört, dass im Holzberg Hunderttausende Kubikmeter Erdaushub und Bauschutt verklappt werden sollen.

Reinold Redenyi kommentiert den Bouldercup und moderiert anschließend die Siegerehrung in unserem Shirt!

Doch die laut Leipziger Volkszeitung etwa 1000 Besucher an diesem Abend wissen nun ganz sicher Bescheid. Niemand konnte unsere knallroten T-Shirts und das Protest-Plakat übersehen. Und das ist ein großer Erfolg. Es war für alle, einschließlich des gegenwärtigen und vorherigen Vorsitzenden der Leipziger DAV-Sektion, des Landrates und auch der Leute von Kafril überdeutlich, dass sich dort eine schlagkräftige Opposition formiert hat, die nichts unversucht lassen wird, den Holzberg in seinem gegenwärtigen Zustand zu erhalten.

Der Druck auf alle Beteiligten ist nun deutlich erhöht worden. Die Firma Kafril weiß jetzt, dass sie mit den Plänen für diese Immobilie niemals glücklich werden kann. Der Vorstand der Leipziger DAV-Sektion konnte an diesem Abend erfahren, dass er mit massivem Widerstand rechnen muss, wenn er gegen die eigenen Mitglieder und den Status als anerkannter Naturschutzverband handelt. Und der Landrat hat offensichtlich verstanden, dass der Ball nun in seinem Feld liegt und er sich als Umweltschützer profilieren kann oder eben nicht.

Er ist in dieser Gemengelage der wichtigste Mann und auf ihm ruhen nun die Hoffnungen. Er muss uns, die Böhlitzer Bürger, die handelnden Behörden und Kafril an einen Tisch bringen, vermitteln und eine Lösung finden, die Kafril davon abhält, aus dem Holzberg eine Deponie zu machen, aber eben nicht ohne der Firma eine akzeptable Alternative anzubieten.

Und auch das ein Erfolg unseres Einsatzes beim Bergfilmfestival, denn einen solchen Termin gibt es jetzt tatsächlich auch schon. Am 12. November wird es ein Gespräch am Runden Tisch beim Landrat geben, bei dem auch Vertreter von uns eingeladen sind.

Das Flachwasserbiotop des Holzberges vom Umlenker des “Valentinstag” aus fotografiert. Leider sieht es derzeit durch das permanente Abpumpen nicht mehr so aus. Fast um einen Meter ist der Wasserstand momentan niedriger.

Hier zu sitzen und zu fordern ist fürwahr einfach. Das ist mir und allen anderen Holzbergfreunden sehr bewusst! Aber die 47! Vogelarten, die 10 Fledermausarten, die 5 Reptilien- und 5 Amphibienarten und die 21 Schmetterlingsarten welche sich in den vergangenen 20 Jahren im Holzberg nachweislich angesiedelt haben, können das nicht selbst. Wir müssen sie beschützen! Und da das leider immer noch nicht geschafft ist, brauchen wir auch Deine Hilfe! HIER kannst Du schauen, wie Du uns unterstützen oder auch selbst Holzbergfreund werden kannst. 

Holzbergfreund zu werden ist also ganz einfach und alle die, welche schon an den über 30 Meter hohen Wänden des Holzberges geklettert sind, zählen sich in der Regel sowieso dazu.

Wie eine Fata Morgana ragt die unvergleichliche Ama Dablam plötzlich vor einem auf und man kann nicht glauben, dass es einen solchen Berg tatsächlich gibt…

Nicht viel komplizierter ist es, “Nepalfreund” zu werden. Denn wer einmal in diesem wunderbaren Land war, zählt sich anschließend auch fast immer dazu. Nur schnell sollte man sein. Im kommenden Jahr führe ich vom 4. März bis zum 1. April wie nun schon seit 21 Jahren eine Gruppe nach Nepal in die Everest-Region. Für diese Tour gibt es noch genau drei frei Plätze.

Wir werden die vier großen Täler im Sherpaland besuchen und natürlich auch einen Abstecher ins Basislager des höchsten Berges der Welt unternehmen. Wer mehr über diese Tour erfahren möchte, findet ganz viele Informationen auf meiner Homepage und nimmt anschließend am besten rasch Kontakt zu mir auf.

So einfach könnte es sein, mit mir gemeinsam die spektakulärste Gebirgsregion der Welt und ein wenig auch sich selbst zu erkunden.

Der Trailer stammt von Jens Klawonn, der 2017 mit mir in Nepal unterwegs war. Bei dieser Tour entstanden die Bilder für diesen kleinen Film, den Jens für mich und meine zukünftigen Gäste produziert hat. Vielen Dank dafür!

 

 

Todesfalle Seil

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So reißerisch der Titel klingt, so zutreffend kann er unter bestimmten Umständen sein. Der 27. August 2017 war ein schwarzer Tag in den Alpen. Am 3263 Meter hohen Gabler im Zillertal geriet eine sechsköpfige bayrische Seilschaft durch den Sturz eines Bergsteigers ins Rutschen und stürzte 200 Meter in die Tiefe. Fünf von ihnen starben. Und in Italien stürzte am gleichen Tag eine Seilschaft mit neun Bergsteigern auf einem Gletscher an der 3556 Meter hohen Presanella ab, zwei Menschen kamen um.

Das waren nicht die einzigen Unfälle in den Alpen an diesem denkwürdigen Wochenende. Aber es waren sicher die tragischsten, weil sie vermeidbar gewesen wären. 

Warum ich mich gerade jetzt daran erinnere? Weil wir im Sommer in Pakistan am Hidden- und am Laila Peak ständig vor der Frage standen: Benutzen wir ein Seil auf dem Weg zum Lager 1 bzw. 2 oder nehmen wir keins? Und ich erinnere mich, welche Gründe es für die eine oder andere Entscheidung gab.

Am Seil im tief verschneiten Gasherbrum Eisbruch vor einigen Wochen am Hidden Peak. Hier war es ständig eine Ermessensfrage, ob wir mit oder ohne Seil gehen. Denn in so einem Eisbruch macht ein Seil langsam und das Gehen wird viel mühsamer als ohne. Doch Geschwindigkeit ist hier oberstes Gebot zwischen den absturzbereiten Eistürmen. Aber in eine Spalte fallen, wollten wir eben auch nicht.

Bei der Tragödie am Gabler bewegte sich die Gruppe nach Augenzeugenberichten auf etwa 40 Grad steilem von Blankeis bedecktem Gelände. Wenn ich mir vorstelle, wie die Leute in dieses Terrain reingelaufen sind, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Hatte denn dort niemand Angst? Jedem musste doch klar gewesen sein, dass, wenn auch nur einer mal wegrutscht, alle abstürzen werden! Und wenn doch, warum hat niemand etwas gesagt? Angeblich waren alle in dieser Seilschaft erfahrene Bergsteiger!

Geht man am Seil ohne es in stabile Fixpunkte einzuhängen, dann kann dieses Seil nichts anderes als Kräfte übertragen. Fatale Kräfte. Fällt einer, dann gibt es nur die Reibung zwischen den Körpern der Bergsteiger und der Oberfläche des Hanges auf dem sie unterwegs sind. Und die ist umso geringer je steiler und glatter diese Oberfläche ist. Einen Sturz einer einzigen 80 kg schweren Person auf einem 30 Grad steilen Firnhang zu halten, ist selbst erfahrenen Bergführern nur sehr schwer möglich. Das ist inzwischen bewiesen. Schon 1982 führte der berühmte Sicherheitsmann vom DAV, Pit Schubert, dazu Versuche durch.

2012 ebenfalls im Gasherbrumeisbruch. Damals sah die Sache völlig anders aus. Obwohl die Gefahr, den oder die anderen mitzureißen, ständig gegeben war, konnten wir hier nie auf das Seil verzichten. Zu groß die Möglichkeit, in eine Spalte zu stürzen.

Die Frage ist nun aber, warum tun sich so viele sowohl in geführten als auch privaten Seilschaften so schwer, diese Tatsache anzuerkennen?

Für mich gibt es dafür gleich eine ganze Reihe von Gründen: Ohne Seil fühlt man sich angesichts von lauter Gefahren um einen herum und mit einem mulmigen Gefühl im Magen sehr unsicher, hat oft sogar Angst. In Seilschaft fühlt man sich einfach besser aufgehoben. Ein erfahrener Mann nimmt mich ans Seil und der wird ja schließlich wissen, was er tut. Vor allem weil der ja auch selbst weiterleben möchte. So eine Seilschaft ist ein Symbol für Gemeinschaft und Sicherheit.

Wären Christoph und ich 2012 am Hidden Peak nicht durch ein Seil verbunden gewesen, dann würde er jetzt nicht mehr leben. Aber auf einem verschneiten, ebenen, spaltenreichen Gletscher ist ein Seil sowieso grundsätzlich Pflicht.

Und der zweite Grund ist die Unwissenheit. Wenn alle wüssten, dass dieses Gefühl von Sicherheit genau dann trügerisch wird, wenn plötzlich die Gefahr besteht, dass einer den anderen mitreißt, dann würden nicht so viele Leute widerspruchslos über den Gefahrenpunkt hinausgehen. Dieser Punkt ist jene Stelle, an der die Nutzung des Seiles in einer Seilschaft ohne Fixpunkte mit jedem Schritt gefährlicher wird. Das Firnfeld steilt auf, wird hart, Blankeis taucht auf, das mulmige Gefühl im Magen nimmt zu, das Bedürfnis nach Halt am Seil ebenso. Gottlieb Braun-Elwert hat das in einem sehr informativen Artikel in der “bergundsteigen” aus dem Jahr 2008 “Übergangsgelände” genannt. Jeder versierte Hochtourengeher weiß genau, wovon hier die Rede ist.

Seilfrei in der Breithornnordwand. Wer dort am einem Tag hoch- und mit der Bahn wieder runterkommen möchte, der kann nicht die ganze Zeit durchgehend sichern. Der kann aber auch nicht in solchem Gelände in einer Seilschaft gehen ohne für eine Absturzsicherung zu sorgen. Da ist seilfreies Gehen oft die einzige Alternative!

Ein weiterer Grund ist die Sorge des verantwortlich Führenden, dass er, wenn er zum Beispiel empfiehlt, an Fixpunkten zu sichern oder ein Fixseil zu installieren, viel zu langsam wird, um das Ziel zu erreichen. Das ist vor allem dann relevant, wenn unerfahrene Leute dahinten am Seil hängen. Und ohne Seil zu gehen, was natürlich immer eine bessere Option ist, als einen Totalabsturz der ganzen Seilschaft zu riskieren, will er schon gar nicht. Einerseits hat er Angst, belangt werden zu können, wenn einem seiner Schutzbefohlenen etwas passiert. Er hat schließlich angewiesen, auf das Seil zu verzichten. Der Staatsanwalt und “Grobe Fahrlässigkeit” schwebt wie ein Damoklesschwert über seinem Haupt.

Und zum anderen, und seltsamerweise habe ich das in den vielen klugen Artikeln zum Thema noch nirgendwo gelesen, hat er Angst, sich selbst überflüssig zu machen. Wieso brauche ich überhaupt jemanden, der mich führt und den ich womöglich dafür bezahlen muss, wenn ich ohne Seil gehen soll? Das fragt man sich dahinten womöglich. Doch manchmal muss man das leider zwingend, weil sonst die Zeit eben nicht reicht oder weil gefährliche Passagen eine hohe Gehgeschwindigkeit erfordern.

Und wenn es dann zu steil wird, wie hier im oberen Teil der Breithornordwand oder der Partner unsicher wird oder beides, dann Seil raus, ein Fixpunkt gebaut und gesichert.

Und hier sind wir beim nächsten Grund. Jeder, der hinter dem Führenden am Seil hängt, sollte verstehen, warum dieser so oder so entscheidet. Und vor allem muss er dann in der Lage sein, die Anforderungen zu erfüllen, die diese Entscheidung mit sich bringt. Wenn es für das Ziel notwendig ist, sich in einem 30 oder 40 Grad steilen Firnfeld mit seinem Pickel und den Steigeisen seilfrei zu bewegen, dann sollte er das können. Und kann er das nicht, dann muss er das zugeben und die gesamte Seilschaft muss umkehren oder Fixpunkte bauen.

Doch wer gibt sich schon gern diese Blöße vor seinen Bergkumpels, mit denen er ja nachher auf der Hütte noch ein paar Obstler trinken will und zwar ohne die Zielscheibe beißenden Spotts zu sein? Da ist es leichter, darum zu bitten, weiter am Seil gehen zu können, denn dafür sei der Führende ja schließlich engagiert worden. Und genau dieser Bittende ist es dann, welcher womöglich alle in die Tiefe reißt.

Oft muss man improvisieren beim Fixpunktebau. Aber ein wackliger Fixpunkt hält dennoch so viel mehr als ein Mensch mit dem kurzen Seil. Der hier war aber keineswegs wacklig.

Dieses Schamgefühl, wenn man plötzlich feststellt, der selbst gestellten Herausforderung rein von seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten gar nicht gewachsen zu sein, ist womöglich der wichtigste Grund für solche Tragödien. Das Schamgefühl bei der Erkenntnis, es nicht draufzuhaben: Was? Gleitendes Seil? Fixpunktsicherung? Steigklemme? Nie gehört! Meine Waden brennen wie verrückt! Ich friere! Da kommen uns andere sogar schon vom Gipfel entgegen! Ich habe bezahlt! Geht es jetzt endlich mal weiter?

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wahnsinnig schwierig es ist, mit der Faust auf den nicht vorhandenen Tisch zu hauen und einfach umzukehren. Dann auch mit denen, die sich vorbereitet haben, die der Sache sehr wohl gewachsen sind, die es drauf haben, die auch mental stark genug für die Anforderungen des Berges sind. Wegen dem einen, den man mitgenommen hat, obwohl man vielleicht schon ahnte, dass er Probleme machen könnte, müssen nun alle umkehren. Der Zorn wendet sich dann womöglich gegen Dich! Und dann auch nicht ganz zu Unrecht.

Andreas genau an der Stelle, wo es am Nirekha Peak in der Everest-Region des Himalayas vom Fels auf das Eis geht. Wir kratzen an dieser Stelle schon knapp an der 6000-Meter-Grenze. Das hier ist fast noch Gehgelände. Aber in dieser Höhe werden die Karten neu gemischt. Hier muss zwingend ein Fixseil oder eine Fixpunktsicherung her. Alles andere ist fahrlässig. Denn mindestens auf dem Abstieg mit zehn oder zwölf Stunden Aufstieg in den Knochen sieht die Welt anders aus als 3000 Meter weiter unten in den Alpen.

Wer sich einem Führer anvertraut, sollte sich von ihm den Weg zeigen und sich inspirieren lassen, von seiner Erfahrung profitieren und vor allem von ihm lernen. Er soll sich auch führen lassen. Doch er darf ihm niemals zu 100 Prozent sein Leben anvertrauen und denken, dass er diese Verantwortung auch wirklich zu 100 Prozent übernehmen kann. Das kann er nämlich nicht. Denn er ist ein Mensch. Er kann Fehlentscheidungen treffen, selbst unsicher oder schwach sein, weil er zum Beispiel einen ganz miesen Tag hat. Gründe dafür kennt jeder bei sich selbst zur Genüge.

Wach sein, Hinterfragen, Nach- und vor allem Mitdenken, Wissen, Fitsein und ganz besonders Können. Das sind die Überlebenselixiere in den Bergen. Und für die ist nun mal jeder selbst verantwortlich.

Hier gleitet unser Seil am Arbengrat in Zermatt entlang. Das Gelände ist einfach, die Zwischensicherungen dementsprechend spärlich gelegt. Aber mehr waren auch nicht nötig. Denn Sven dahinten weiß, was er tut, und ich weiß das ebenfalls. Außerdem muss man auch sehen, dass man vorwärts kommt am Arbengrat.

 

Was uns die Berge lehren

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Millionen deutscher Soldaten wurden im Zweifrontenkrieg in den Schützengräben verheizt, doch er ging seelenruhig klettern. Der Einberufung entkam er, weil er seit 1912 unangemeldet bei seiner Halbschwester in Dresden wohnte. Die meiste Zeit schlief er sowieso unter den Felsen. Die Rede ist von Emanuel Strubich. 

Geschichte schrieb der zu dieser Zeit beste Kletterer der Welt 1918 am Wilden Kopf im Sächsischen Elbsandstein. Nur mit einem Seil um den Bauch und ohne Sicherungsring kletterte er Schwierigkeiten, die ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus waren. Sie lagen weit über dem, was damals anderswo für die Grenze des Menschenmöglichen gehalten wurde. Überhaupt waren die Sächsischen Kletterer zu dieser Zeit die Vorreiter was Stil und Ethik im Sinne von Paul Preuss anbelangte, übrigens ein Zeitgenosse Strubichs.

Emanuel Strubich, Quelle: Sammlung Joachim Schindler

Wer heute vor dem Wilden Kopf steht und sich vorstellt, mit welcher Ausrüstung und welchem Anspruch Strubich damals los kletterte, kann nur mit dem Kopf schütteln.

Was hatten diese Jungs für Ideale? Die von Paul Preuss kann man in seinen denkwürdigen sechs Grundsätzen nachlesen. „Das Können sei des Dürfens Maß“ war seine Maxime. 

Seit dem sind mehr als 100 Jahre vergangen und zu allen Zeiten suchten die Menschen in den Bergen das gleiche. Sie ragen aus der Zivilisation heraus, deshalb entfloh man zu ihnen damals wie heute. Doch das war nie die einzige Motivation. Schon zu Preuss und Strubichs Zeiten nicht. Auch sie wollten beachtet und bewundert werden und waren bereit, einen hohen Preis dafür zu zahlen.

Die 80 m hohe, leicht überhängende Talseite des Höllenhundes in Rathen mit einer Seilschaft. Erstmals wurde diese Wand von Dietrich Hasse 1955 durchstiegen. Hasse schlug nur drei Ringe. Die Sächsischen Kletterer im Elbsandstein waren bis Anfang der Achtziger Jahre das Maß aller Dinge weltweit, wenn es um Kletterschwierigkeiten ging!

Heute haben sich die Prioritäten diesbezüglich verschoben: Weg von einer hohen Qualität des Erlebens außerhalb der Zivilisation, hin zu einer hohen Qualität der erzeugten Bilder vom Erlebten und der mit ihnen erhofften Beachtung in den verschiedenen vor allem sozialen Medien.

Wegen ihnen leben wir in Zeiten der globalen Vergleichbarkeit. Wenn heute ein talentierter Kletterer ganz oben in der Liga der Profis mitspielen will, muss er nicht nur scheinbar übermenschliche Leistungen vollbringen. Er muss auch die entsprechend coolen Bilder dazu liefern. Und will auch der Amateur wahrgenommen werden, so gilt mindestens das mit den Bildern auch für ihn.

Sobald jemand versucht, vom Bergsteigen zu leben, Sponsoren finden möchte, Medienpartner braucht, soziale Medien bedienen will, muss er sich dem Zwang nach schönen Bilder unterordnen. Das gilt natürlich auch für mich. (Foto: Jacob Andreas)

Gleichzeitig hat der Sicherheitsaspekt geradezu religiösen Stellenwert in unserer Gesellschaft bekommen. Ein unlösbarer Widerspruch! Denn das sind drei Dinge, die nicht zusammenpassen: Atemberaubende Leistungen, Sicherheit und einen perfekt gestylten Trailer bei Youtube! 

Der Fotograf Robert Bösch hat diesen Widerspruch mit einem Satz auf den Punkt gebracht: „Je besser die Bilder sind, umso weniger war die Expedition am Limit.“

Alex Honnold, Quelle: Wikipedia

Hierfür ein Paradebeispiel und dazu sehr aktuell ist die filmisch perfekt in Szene gesetzte Aktion des sympathischen Alex Honnold am El Capitan. Unfassbar, was der Protagonist dort abliefert. Doch für mich hat diese Sache einen eklatanten Schönheitsfehler. Er bricht den ersten Versuch seiner Free-Solo-Begehung ab! Wie kann das sein ohne Seil? Ist er auch freesolo abgestiegen? Wenn ich so kletterte und meine Arme oder mein Kopf machten nicht mehr mit, dann flöge ich runter! Genau darum geht es ja beim Klettern ohne Seil. Aber Alex Honnold lebt noch.

Als Strubich nach dem ersten Weltkrieg im Sächsischen Sandstein Leistungen vollbrachte, die tatsächlich haarscharf an der Grenze des damals Menschenmöglichen war, verglich er sich lediglich mit seinen wenigen Konkurrenten in seiner unmittelbaren Umgebung. Die Orte dieser Vergleiche waren die Kneipe, die Gipfelbücher oder höchstens ein paar Artikel in den regionalen Zeitungen.

Heute müsste er sich mit der gesamten Weltelite vergleichen. Und das macht entweder depressiv, wie mich manchmal, weil einem gnadenlos die eigene Bedeutungslosigkeit klar wird. Manchmal lässt es deshalb Leute Dinge tun, die sie besser gelassen hätten. Am häufigsten aber führt es zu fast schon lächerlichem Selbstbetrug. 

Die Achttausender und hier vor allem der Everest sind der Schauplatz dieses für mich völlig unbegreiflichen Schauspiels. Da lassen Leute buchstäblich alles, was eine solche Besteigung schwierig und anstrengend macht, von anderen erledigen, schalten das Risiko weitestgehend durch von den Sherpas verlegte Fixseile aus, lassen sich von ihren persönlichen Hochträgern eine neue Sauerstoffflasche anschließen und reklamieren dann trotzdem für sich, zum nicht mehr ganz so erlesenen Kreis der Everestsummiter zu gehören. Und zu allem Überfluss sind dann die Veranstalter solcher Reisen auch noch stolz darauf, dass ihre Kundschaft nach dem Everest aussieht, als käme sie aus dem Büro.

Ein Lebensmittelager im Basislager des Mount Everest.

Noch trauriger wird es, wenn beim Kampf um Klicks, Vortragshonorare und Sponsorenverträge gelogen wird, dass sich die Balken biegen. Und das wird es oft. Ich muss da zwangsläufig an Christian Stangl und seine eingebildete K2-Besteigung denken. Als sein Lügengebäude zusammenbrach, stellte sich sogar heraus, dass er tatsächlich nicht einmal das Basislager verlassen hatte. 70 Stunden war er „unterwegs“ saß also in seinem Zelt am Bergfuß. Wie hat er das mit seiner Notdurft gelöst?

Wir müssten es irgendwie schaffen, nicht die durchgestylten Bilder, die gekletterten Schwierigkeitsgrade oder die Höhe der Berge zum Maß aller Dinge zu erheben, sondern die Qualität des Erlebens selbst. Schade nur, dass man die nicht messen und somit vergleichen kann. Welcher Sponsor kauft schon die Katze im Sack?

Im Vorstieg in der 600 m hohen, fast senkrechten Raueiswand an der Südwestflanke des Monte Sarmiento auf Feuerland 2016. Bis heute hat dieser unfassbar schöne Gipfel nur eine Besteigung und zählt zu den schwierigsten Bergen der Welt. 50 m unter dem höchsten Punkt mussten wir wegen unkalkulierbarer Risiken umkehren. Trotzdem war dieses Unternehmen sicher eines meiner aufregendsten und vor allem wichtigsten in den 30 Jahren, die ich nun schon in den Bergen dieser Welt unterwegs bin (Foto: Falk Liebstein)

Doch es gibt Grund zu Optimismus. Denn es ist ja leicht, zu erleben, wie großartig es sich anfühlt, wenn man etwas schwieriges aus eigener Kraft, mit gutem Stil und ohne Netz und doppeltem Boden schaffen konnte.

Ich spüre das immer wieder, wenn ich aus bestens abgesicherten Sportklettergebieten in meine geliebte Kletterheimat, den Elbsandstein zurückkehre. Während ich anderswo die entspannt gekletterten, weil mit Bohrhaken gespickten Sportkletterrouten schneller vergesse, als ich sie in mein Tourenbuch eintragen kann, brennen sich die abenteuerlichen Wege eines Strubichs und Co. in Sachsen für immer ins Gedächtnis.

Ganz sicher einer meiner glücklichsten Augenblicke überhaupt und schon ein ganzes Weilchen her. Ich bin den “Talweg” am Höllenhund in Rathen vorgestiegen, und trage mich gerade stolz wie ein Spanier in das Gipfelbuch ein. An diesen Augenblick erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen. (Foto: Alexander Graeber)

Vielleicht nicht heute oder morgen. Aber die Rückbesinnung auf den Wert dessen, was uns die Berge lehren, wo wir uns gleichzeitig ganz klein aber auch ganz groß fühlen können, wird die Zukunft sein in einer auf Quantifizierbarkeit fixierten Welt, wo alles immer schneller, unverbindlicher und anonymer zu werden droht. Denn wo können wir uns, wann immer uns danach gelüstet, Ernsthaftigkeit, Zufriedenheit und Lebensfreude besorgen? Wenn wir sie nicht  gerade zu Sportgeräten degradieren, geht das in den Bergen ganz wunderbar. Und dafür müssen wir nichts weiter tun, als hinzugehen.

Holzberg – Die Wende?

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Der Holzberg ist leider immer noch nicht gerettet. Wieder muss ich sagen: Ganz im Gegenteil. Das Damoklesschwert zumindest einer Teilverfüllung hängt nach wie vor drohend über dem Biotop im Holzberg. Doch ging es auf dem mühsamen Weg der Bewahrung des Holzberges in den letzten Wochen ein ganzes Stück voran. Und das ist vor allem dem unermüdlichen Einsatz einiger weniger zu verdanken, die mit großem persönlichen Engagement und einem immensen Zeitaufwand die Sache des Holzberges so weit vorangebracht haben. Ich kann mir nun kaum noch vorstellen, dass dort plötzlich Tausende von Kippern das unersetzliche Biotop zuschütten. Aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass man ins Grüne Gewölbe hereinspazieren und unschätzbar wertvolle Kunststücke August des Starken unbehelligt klauen kann, ohne das der über die Überwachungskameras zuschauende Sicherheitsdienst eingreift. In Deutschland ist scheinbar alles möglich. 

Es gab in den letzten Wochen drei Veranstaltungen, die in meinen Augen eine mögliche Wende in der Holzbergfrage markieren könnten. Es gab natürlich viel mehr. Aber diese drei haben meiner Ansicht nach das meiste Gewicht.

Links Gerald Krug, Mitte Jens Karnahl und rechts Lutz Zybell. Toll, dass es dieses Treffen gab. Gespräche sind immer besser als Dienstaufsichtsbeschwerden. Diplomatie war schon immer erfolgreicher und vor allem weniger zerstörerisch als das Brecheisen.

Die erste war im September ein Gespräch der beiden Holzbergfreunde Lutz Zybell (Chef des Landesverbandes Sachsen des DAV) und Gerald Krug (Vorstandsvorsitzender der IG Klettern Halle/Löbejün sowie Inhaber des Geoquest-Verlages) mit Jens Karnahl, Inhaber der Firma Kafril und damit Eigentümer des Holzberges. Allein schon, dass dieses Gespräch stattgefunden hat, ist ein sehr positives Zeichen. Dazu war es noch ein konstruktives und entspanntes Gespräch, in dem sich Jens Karnahl klar geäußert hat, dass er einer Alternative für den Holzberg nicht grundsätzlich und unter allen Umständen ablehnend gegenüber steht. Dass er womöglich umzudenken beginnt, ist uns allen zu verdanken, die sich nun seit mehr als einem Jahr mit zunehmender Intensität und großer Vehemenz für den Holzberg und die dort lebenden Pflanzen und Tiere einsetzen. Jens Karnahl hat mit diesem gut organisierten und massiven Widerstand der Verfüllungsgegner wohl nie gerechnet und inzwischen gelernt, dass er mit dieser Immobilie auf Jahre hinaus große Probleme haben wird.

Die zweite Veranstaltung war ein Treffen beim Landrat am 12. November. Hier waren auch wieder wir, also die Holzbergfreunde und viele andere der agierenden Parteien vertreten, wie das Oberbergamt, die Untere Naturschutzbehörde, die Gemeinde Thallwitz, der Landkreis, die Bürgerinitiative Böhlitz und natürlich die Firma Kafril. Im Vorfeld dieser Veranstaltung war es Holzbergfreund Gerald Krug, der mit seiner profunden Ortskenntnis 14 Alternativstandorte in die Diskussion eingebracht hat. Und nun gibt es doch tatsächlich eine Fachgruppe, bestehend aus Frau Sommer vom Landkreis, Herrn Karnahl als Kafrilchef, Lutz Zybell von den Holzbergfreunden und Christian Krönert von der Bürgerinitiative Böhlitz, die in den kommenden drei Monaten Gespräche mit den jeweiligen Flächeneigentümern führen und eine Bewertung der Eignung der auf der Liste aufgeführten Alternativstandorte erstellen sollen. Dies ist sicher der einzig wirklich erfolgversprechende Weg, welcher echte und dauerhafte Rettung für den Holzberg bedeuten könnte.

Die Veranstaltung Nummer drei fand am 19. November statt. Diese bekommt von mir das Prädikat “DENKWÜRDIG”. Die Leipziger Sektion des Deutschen Alpenvereins hatte zu einer Informationsveranstaltung geladen. Es waren nur Mitglieder zugelassen. Allen anderen Interessierten wurde durch einen Sicherheitsdienst der Zutritt verwehrt!! Selbst auf das Bitten der anwesenden DAV-Mitglieder blieb es beim Hausverbot, so dass einige Holzbergfreunde und die Bürgerinitiative VOR dem Veranstaltungsort mit einem Flyer und Plakaten über den Stand der Entwicklungen informierten. Darüber kann man sich aufregen oder die Schulter zucken, vielleicht auch belustigt sein. Für mich ist diese Vorgehensweise des geschäftsführenden Vorstandes ein trauriges Armutszeugnis. Sich den Argumenten der Verfüllungsgegner zu stellen, macht immer einen besseren Eindruck, als sie auszusperren. Das konnte den Verantwortlichen nur mächtig auf die Füße fallen.

Auch drinnen ging es trotz Aussperrung hoch her! Buchstäblich wie ein Mann haben sich die Anwesenden gegen alle wie auch immer gearteten Pläne des geschäftsführenden Vorstandes gestellt, Kompromisse bezüglich einer Teilverfüllung einzugehen, um so die Wand für uns Kletterer zu retten. Kompromisse wurden abgelehnt, weil auch eine Teilverfüllung das Biotop zerstören und uns Kletterern ein für alle mal die Freude am Klettern an den herrlichen Wänden des Holzberges gründlich vermiesen würden. Es gab eine solch massive Einvernehmlichkeit der Mitglieder bezüglich der Ablehnung jeglicher auch (Teil)Verfüllungspläne, dass nun niemand mehr im Vorstand des Leipziger DAV gegen diesen Mitgliederwillen agieren kann, ohne einen Aufstand zu riskieren.

Den vor der DAV-Veranstaltung verteilten Flyer könnt Ihr hier ansehen:

Holzberg Flyer BI November 2019

Um dass auch sicherzustellen, wird jetzt ein Arbeitskreis innerhalb der Sektion durch engagierte DAV-Mitglieder ins Leben gerufen. Auch ich habe mich auf die Liste der Mitarbeitswilligen in diesem Arbeitskreis eingetragen und möchte gern das Bindeglied zwischen der Leipziger DAV-Sektion und den anderen Verfüllungsgegnern sein. Denn nach wie vor müssen wir alle Kräfte bündeln und sollten uns auf keinen Fall in Sicherheit wiegen und unseren vermeintlichen Erfolgen zu viel zutrauen. Das habe ich inzwischen in vielen Gesprächen vor allem mit Insidern gelernt.

Was gibt es sonst noch für Neuigkeiten? Nicht so wichtig aber dafür auf ganzer Linie erfreulich ist die Tatsache, dass ich am kommenden Freitag um 19.00 Uhr im Komm-Haus in der Selliner Straße 17 meinen Nepal-Vortrag “Königreich der Götter” noch einmal präsentieren darf. Der Kartenvorverkauf läuft schon eine ganze Weile im Komm-Haus und im Stadtteilladen Grünau, Stuttgarter Allee 19. Es werden viele meiner zukünftigen und auch einige meiner ehemaligen Nepalgäste kommen, und darüber freue ich mich wirklich sehr. Ich finde es einfach toll, dass sich über die Jahre so viele freundschaftliche und auch sehr langlebige Beziehungen zu meinen Nepalgästen entwickelt haben. Eine schönere Motivation kann es für mich einfach nicht geben.

Die Tickets kosten im Vorverkauf 8 €, an der Abendkasse 10 €. Ermäßigte Karten kosten auch an der Abendkasse 8 €.

Wir sehen uns also vielleicht am Freitag in Leipzig-Grünau. Ich würde mich freuen.

Sehr freuen würde mich auch, wenn wir noch mehr Unterstützung bei der Holzbergrettung bekämen. Je mehr Leute sich engagieren, umso schwieriger wird es, heutzutage ein wertvolles Biotop zuzuschütten. Wer sich umfassender informieren will, der ist auf unserer Holzbergfreunde-Homepage bestens aufgehoben, oder er kommt am 6. Dezember um 19.00 Uhr in die “Königslinde” nach Böhlitz zur Podiumsdiskussion zum Thema Holzberg und demonstriert dort mit seiner Präsenz seinen Willen, an der Rettung des Holzberges mitzuarbeiten. 

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